Der Mensch sieht sich gern als Gottes unüberbietbares Werk. Geschaffen nach seinem Bild. Das ist so tatsächlich nachzulesen in der Bibel, doch vom Menschen als Krone der Schöpfung steht da nichts. Trotzdem wird das gern behauptet. Etwa in einem Kirchenlied. Da heißt es: "Er schuf aus Nichts das Leben, den Mensch als Frau und Mann, die Krone seiner Schöpfung. Ich glaube daran." (GL 792, Ich glaube an den Vater)
Ich habe da meine Zweifel, denn am Ende ist der Mensch doch eher die Bommelmütze, nicht die Krone. Das steht auf einer Karte, die seit Jahren bei mir am Arbeitsplatz hängt: "Man kann ja nicht immer die Krone der Schöpfung sein… manchmal isses halt mehr die Bommelmütze…" Die sieht zwar nicht so elegant aus wie eine Krone, aber sie wärmt und schützt. Sie hat also eine Aufgabe. Und die haben wir auch. Gott hat uns die Verantwortung für seine Schöpfung übertragen.
Wenn der Mensch manchmal doch eher die Bommelmütze ist, was aber ist dann tatsächlich die Krone der Schöpfung? Gibt es sie überhaupt? Jüdische Gelehrte im Mittelalter waren davon überzeugt: Der Sabbat, also der Ruhetag, ist die Krone der Schöpfung. In der Bibel heißt es: "Am siebten Tag vollendete Gott das Werk, das er gemacht hatte, und er ruhte am siebten Tag" (Gen 2,2). Für den schwedischen Theologen Tomas Sjödin heißt das aber nicht, dass Gott sich jetzt zurückzieht, um seinen Frieden zu haben. Nein, Gottes Ruhe ist eher ein tiefes Mitfühlen. Gott freut sich an dem, was er geschaffen hat. (vgl. S. 27) Erst jetzt, mit dieser Ruhe, ist die Schöpfung vollendet, nun ist sie vollständig. Die Ruhe ist das großartige Finale der Schöpfung. Sie ist die Krone von allem, denn die Ruhe überstrahlt alles. Die Ruhe ist Gottes letztes Schöpfungswerk. Und darum gehört sie wohl auch zu den meisten geistlichen Traditionen dazu. Ob der Freitag, der Samstag, der Sonntag oder der Mittwoch der Ruhetag ist, ist nicht entscheidend. Wichtig ist für Tomas Sjödin an der Ruhe teilzuhaben und so bei Gott zu sein, zusammen mit ihm aufzuatmen. Sjödin schreibt in seinem Buch "Warum Ruhe unsere Rettung ist": "Wer ruht, nimmt seine Lebensaufgabe ernst. Wer die Ruhe unterschätzt, nimmt sie zu leicht." (29)
Wenn es bei der Arbeit hektisch wurde, dann sagte eine Kollegin immer zu mir: "Nur die Ruhe!" Anfangs habe ich innerlich mit dem Kopf geschüttelt, doch irgendwann habe ich mich darauf eingelassen und die Kraft der Ruhe entdeckt. Im Alltag sind es meist nur wenige Augenblicke oder Minuten. Aber nach sechs Tagen ist da ein Ruhetag. Dann passiert etwas mit mir. Die Ruhe ist nicht leer, sie ist gefüllt: Durch Erinnerungen, Mahlzeiten, Gespräche und den Gottesdienst. Alles das sind Geschenke, die mich davor bewahren, in den Arbeitstagen unterzugehen.
Tomas Sjödin: Warum Ruhe unsere Rettung ist, SCM R. Brockhaus