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Nebel – Leben

Wort zum Tage, 04.11.2024

Susanne Bauer, München

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Jetzt ist er wieder da und kann uns trübsinnig machen. Er hält Sonnenstrahlen und Wärme zurück und oft vergönnt er uns nicht mal einen Blick in die kahlen Baumkronen. Mit seiner dicken und grauen Art macht er so manchen Tag noch ein wenig dunkler. Nebel – er kann einem wirklich aufs Gemüt drücken und bremst uns nicht nur beim Autofahren aus. Wer stochert schon gerne im Nebel auf der Suche nach dem nächsten Schritt? Keiner ist so ganz geschützt vor verworrenen und verschwommenen Gefühlen. Und die Medizin kennt, unter anderem als Longcovid Symptom, den Nebel im Kopf. Wenn wir geistig erschöpft sind und keinen klaren Gedanken fassen können. Alles erscheint dann trüb und grau. Nebel scheint wirklich gefährlich zu sein.

"Mehr Licht!", möchte man da rufen. Und dieser Ausruf beschreibt ein zutiefst menschliches Bedürfnis. Es zieht uns dorthin, wo es hell ist. Wir wollen nicht im Dunkeln tappen. Wir wehren uns gegen den Trübsinn diese Monats November. Vielmehr suchen wir die Sprache des Lichts. Und die ist international. Es ist eine Menschheitssprache. Sie übersetzt so viele Dinge: Ich brauche Wärme. Was vermag mich zu trösten? Wie geht es weiter? Mach es heller! Bleib bei mir und schenke Frieden. Unser Lichthunger hat nicht nur etwas mit der trüben und nebeligen Jahreszeit zu tun. Unsere Lichtersehnsucht gehört zu uns als Menschen. Und das von klein auf.

"Laternenlicht verlösch mir nicht!", singen in diesen Tagen die Kinder und haben dabei Ihre Laterne ganz sorgsam in der Hand und fest im Blick, damit alles gut geht.

So lebendig, so fröhlich und sorglos. Nebel scheint uns tatsächlich bis zu einem gewissen Lebensalter überhaupt nicht bedrohlich werden zu können. Als Kinder haben wir noch die Begabung, die Dinge ganz anders wahrzunehmen, oder wie Astrid Lindgren sagt: Ich glaube die Kinder sehen die Dinge so, wie sie immer gewesen sind. Dann ist vielleicht der Nebel etwas Weiches und Anschmiegsames, das uns daran erinnert auch wieder weich zu werden. Dann kann sein Vorhang uns vor zu vielen äußeren Eindrücken schützen. Dann lädt uns der Nebel ein, die Welt nicht grau, sondern im geheimnisvollen Silberglanz zu sehen. Dann lenken die Nebelschwaden das Licht wie auf einer Tanzbühne des Lebens zu ganz besonderen Effekten. Vielleicht lassen die kleinen Wassertropfen in der Luft dann gar manche Grenzlinie verschwinden

Einfach mal Kind sein und alles andersrum erforschen und dann kann man das Wort Nebel auch andersrum lesen und es wird zu LEBEN.

Was für eine Einladung!

Über die Autorin Susanne Bauer

Susanne Bauer, Jahrgang 1966, studierte in München Theologie und arbeitet seit 1993 als Pastoralreferentin in München mit derzeitigem Dienstsitz in der Pfarr- und Universitätskirche St. Ludwig.

Kontakt: SuBauer@eomuc.de