Wie wunderbar sie ausgesehen haben: die hellrosa Blüten an den Zweigen in meiner Vase! Richtig geleuchtet haben sie. Und das mitten im Winter. Letztes Jahr haben tatsächlich just zu Weihnachten die Kirschzweige geblüht, die ich am Barbaratag in meine Küche gestellt habe. Barbaratag: Das ist heute, am 4. Dezember. Einer alten Tradition nach stellen viele Menschen an dem Tag kahle Zweige von Obstbäumen in ihre Wohnung. Und wenn man Glück hat – und ich hatte das schon oft – , dann blühen diese Zweige ein paar Wochen später, rund um Weihnachten.
Mich berührt diese Tradition auch deswegen besonders, weil heute, am 4. Dezember, der Geburtstag meiner Mutter ist. Sie ist schon über 30 Jahre tot. Aber wenn ich die Barbarazweige an ihrem Geburtstag in die Vase stelle, dann ist das für mich ein Hoffnungszeichen. Ich glaube daran: Auch meine Mutter ist nicht für immer tot. Sie wird auferstehen, und wir werden uns irgendwann einmal wieder in den Armen liegen. Weil das Leben über den Tod siegt.
Davon erzählt auch die Legende um die Barbarazweige. Die heilige Barbara wurde wegen ihres Glaubens zum Tode verurteilt. Auf dem Weg ins Gefängnis bleibt sie mit ihrem Kleid an einem kahlen, winterlichen Zweig hängen. Den nimmt sie mit und stellt ihn in ihren Trinkbecher. Sie gibt ihm immer wieder Wasser und wartet geduldig. Und dann erblüht dieser kahle Zweig genau an dem Tag, an dem sie wegen ihres Glaubens hingerichtet wird. Für Barbara war dieser blühende Zweig ein Zeichen: Das Leben geht weiter. Der Tod ist nicht das Ende.
Ich mag diese Geschichte und diese Botschaft der Barbarazweige. Sie tröstet und stärkt mich in der Erinnerung an meine Mutter und an all die Verstorbenen, um die ich trauere. Sie tröstet und stärkt mich auch, wenn ich jetzt im Winter und in den vielen Krisen dieser Welt manchmal denke: Es ist doch alles hoffnungslos. Nie können wir aus all den Katastrophen noch herauskommen. Aus den Kriegen in der Ukraine und im Nahen Osten. Aus der Klimakatastrophe, über die gerade bei der Weltklimakonferenz in Dubai beraten wird.
Die Barbarazweige sagen mir: Doch, es gibt Hoffnung. Auch in den dunkelsten Zeiten. Wenn alles kahl und abgestorben aussieht: Auch dann kann von innen her Neues und Blühendes wachsen. Auch deswegen, weil Gott keinen Menschen aufgibt. Und auch nicht diese Welt als ganze. Es lohnt sich, darauf zu warten, dass es besser wird. Es lohnt sich, der Hoffnung immer wieder ein bisschen Wasser zu geben. Immer wieder setzt sich das Leben dann durch. Und blüht auf.