Beim letzten Jugendabend der Pfarrei konfrontierte mich ein Jugendlicher mit folgender Frage: "Haben Sie eigentlich schon einmal drüber nachgedacht was passieren würde, wenn wir einander die Sünden nicht vergeben würden."
Der Grund dieses Gedankenspiels war, dass wir einen Abschnitt aus dem Neuen Testament der Bibel, dem Johannesevangelium betrachtet hatten. Dort heißt es: "Jesus hauchte seine Jünger an und sagte: Empfangt den Heiligen Geist! Denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; denen ihr sie behaltet, sind sie behalten."
Und tatsächlich: Was wäre, wenn wir anderen ihre Sünden nicht verziehen? Gründe dafür, anderen ihre Sünden nicht zu vergeben, fand der Jugendliche schnell: Eine erlittene Verletzung, die so schlimm ist, dass vergeben unmöglich scheint. Oder: Machtstreben – frei nach der Devise: Ich vergebe Dir nur, wenn Du dieses oder jenes für mich tust!
Und so kamen wir auf die Frage: Was wäre das für eine Welt? Was wären das für Beziehungen zwischen mir und dem Nächsten, dem Nächsten und mir? Spätestens hier wurdes es greifbar-dramatisch, ging es für den Jugendlichen ans Eingemachte: Wenn wir einander nicht mehr verziehen, dann gäbe es keine Beziehung, keine Liebe mehr – nur immer tiefer werdende Gräben.
- Wir hörten auf, miteinander zu reden.
- Wir grenzten uns ab – nach Geschlecht, Nationalität, Meinung.
- Wir hielten uns einander die Fehler generationsmäßig vor.
Und um diesen Gedanken noch zu steigern, fragten wir uns: Wie wäre es, wenn Gott uns nicht verzeihen würde? Wir wären wie tot – gefangen in unserer eigenen Schuld, verheddert im begrenzten eigenen Menschsein. Doch wir brauchen dieses göttliche Verzeihen! Denn ohne dieses neue Anhauchen des Schöpfers, könnten wir nicht immer wieder neu wachsen, könnten keine Grenzen überschreiten, könnten keine neue Menschen werden.
Und so war es am Ende des Abends klar: Ein Gespräch über die eigenen Fehler kann wichtig sein: Weil es befreit, weil es ermöglicht, wieder neu auf die anderen zuzugehen. Weil erst mit dem Neuanfang wieder Gemeinschaft möglich ist.
Und noch etwas wurde deutlich: Eine Kirche, die als ein zentrales Element ihres Glaubens die Sündenvergebung hat, ist eine Kirche, die Freiheit ermöglicht, weil sie die Möglichkeiten einräumt, loszulassen von dem, was belastet.