Dass mitten im Hochsommer ein Hagelsturm Autodächer verbeult – damit rechnen wir mittlerweile. Als am frühen Morgen des 5. August im Jahr 352 auf dem Esquilin-Hügel in Rom Schnee lag, hielt man es für ein Wunder.
Zumal, wie die Legende erzählt, in der heißen Sommernacht zuvor Maria, die Mutter Jesu, sowohl dem Papst Liberius als auch dem reichen römischen Bürger Johannes im Traum erschienen war und ihnen geboten hatte, früh auf den Esquilin zu steigen, wo sie frisch gefallenen Schnee finden würden. Sie sollten dafür sorgen, dass an dieser Stelle eine Kirche erbaut wird.
Die beiden machten sich auf den Weg und fanden das Schneefeld. Dann, so schildert es der Schriftsteller Eckart Peterich in seinem Rom-Buch, "zeichnete Papst Liberius den Grundriss der Kirche in den Schnee, und Johannes gab das Geld für den Bau des Gotteshauses. (…) Wir feiern noch heute am 5. August das Fest Maria Schnee." [1]
Der 5. August ist der Kirchweihtag von Santa Maria Maggiore. So heißt die Basilika, die dann errichtet und später erweitert und ausgeschmückt wurde. "Im Innern schimmert und leuchtet diese Kirche wie wenige auf der Welt", so schwärmt Eckart Peterich: "Sie ist ein Wunder, und sie verdankt ihre Entstehung einem Wunder."
Vor allem aber soll diese Kirche an das Wunder der Weihnacht erinnern. Was Weihnachten bedeutet, das hatte 431 die Kirche auf dem Konzil von Ephesus so formuliert: In Jesus ist Gott wirklich Mensch geworden, und Maria ist die Mutter Gottes. Santa Maria Maggiore sollte für alle Zeit an diese Gewissheit des Glaubens erinnern.
Das Schnee-Wunder fasst das Weihnachtsgeheimnis in ein Bild: Jesus, der Erlöser, kam auf die Welt. Unerwartet wie Schnee im Sommer. Nicht von Menschen hergestellt, sondern wie Schnee vom Himmel her gekommen. Nicht als erhabener Ehrengast, der sich wieder aus dem Staub macht, sondern der Mensch und ganz irdisch wird – wie der Schnee, der schmilzt und mit der Erde eins wird.
Wer heute in Rom die Kirchweih-Messe in Santa Maria Maggiore mitfeiert, erlebt einen schönen Brauch: Von der Kuppel her schweben weiße Blüten-blätter auf die Gläubigen herab – wie Schneeflocken.
[1] Eckart Peterich, Rom. München: dtv 2. Aufl. 1999. <S. 412.