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Wärmequelle

Wort zum Tage, 05.11.2024

Susanne Bauer, München

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"Wofür sie besonders schwärmt, wenn es wieder aufgewärmt." Dieses Zitat aus Wilhelm Buschs Max und Moritz kommt bei uns zu Hause immer wieder zum Einsatz, wenn es besondere Gerichte in der Küche gibt. Solche, die lange vor sich hinschmurgeln müssen, die man gut vorbereiten kann und in denen sich ein Geheimnis der Genussentfaltung verbirgt. Und das kommt nur durch wiederholtes Erwärmen zum Vorschein.

Aufwärmen – das kennen wir sonst auch als hilfreiche, ja notwendige Übung beim Sport oder vor dem Singen. Da geht es um lockeres Schwingen, sanftes Dehnen und sich wiederholende Bewegungen oder Töne, um erstmal in den Aktionsmodus zu kommen. Auch, um in den Aktionsmodus eines neuen Tages zu kommen, macht es durchaus Sinn sich etwas aufzuwärmen. Dafür reicht es aus einfach nichts zu tun und nur zu schnaufen. Denn alle Energie kommt erstmal durch die Nase. Tatsächlich ist dieses kleine, oft vernachlässigte Körperteil die wichtigste Station beim Erwärmen unseres Körpers, unserer Muskeln, unseres Motors für den Tag.

Was könnte passieren, wenn ich meiner Nase und der Atmung mehr Aufmerksamkeit schenke, jetzt in den ersten Stunden des Tages?

Sie freut sich, wenn ich mit ihr rechne! Im doppelten Sinne, denn ich rechne mit ihrer Zuverlässigkeit und gleichzeitig kann ich durch Zählen die Energie der Atmung lenken. Wenn ich beispielsweise beim Einatmen bis 3 und beim Ausatmen bis 6 zähle, dann schenke ich mir selbst mehr Zeit zum Loslassen als zum Einatmen. Für uns Westeuropäer vielleicht etwas ungewohnt, wenn wir dem Nehmen und Haben weniger Zeit geben als dem Ausatmen, dem Loslassen.

Für mich steckt im Gefühl des Ausatmens eine Einladung sich auszudehnen. Mich mit meinem Ballast, ebenso wie mit meinen Wünschen und Bitten ausdehnen, um eine neue Bewegungsfreiheit in meine Bedürfnisse zu bringen. Und genau das wärmt mich und gibt mir die Energie für den heutigen Tag.

Im Schöpfungsbericht wird beschrieben, wie Gott den Atem des Lebens den Menschen schenkt, indem er seine Lebendigkeit in die Nase des Menschen hineinbläst. Sich bewusst mit dem Atem zu verbinden, heißt auch sich mit dem Ursprung, dem Atem des Lebens, zu verbinden.

So eine bewusste Atempause am Morgen, egal ab am Küchentisch, im Auto, während der Bahnfahrt oder auf dem Fahrrad wird zum Geschmacks- und Genussverstärker. Ich kann dann für kurze Momente den Tagesplan für heute noch etwas schmurgeln lassen statt immer schnell eine Aktion und Aufgabe nach der anderen anbraten. Vielleicht bekommen auch meine Gedanken durch erneutes Umrühren und Erwärmen einen intensiven, unvergleichlichen Geschmack.

Über die Autorin Susanne Bauer

Susanne Bauer, Jahrgang 1966, studierte in München Theologie und arbeitet seit 1993 als Pastoralreferentin in München mit derzeitigem Dienstsitz in der Pfarr- und Universitätskirche St. Ludwig.

Kontakt: SuBauer@eomuc.de