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Drei Könige

Wort zum Tage, 06.01.2024

Martin Wolf, Mainz

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Der prachtvolle goldene Dreikönigenschrein ist eine der Attraktionen des Kölner Doms. Vor rund 800 Jahren wurde er angefertigt und gilt heute als eines der wertvollsten Kunstwerke seiner Art. Als Kind habe ich vor Jahrzehnten davorgestanden und gestaunt. Und ich war fasziniert von dem Gedanken, dass gerade dort, in Köln am Rhein, in diesem goldenen Schrein nun das Grab von Kaspar, Melchior und Balthasar ist. Jenen Dreien also, die daheim immer andächtig in unserer Weihnachtskrippe standen und ihre Geschenke für das Jesuskind in Händen hielten. So steht es schließlich in der Bibel (Mt 2,1-12).

Wenn ich heute genauer hinsehe, dann weiß die Bibel allerdings kaum etwas von ihnen. Schon gar nichts von drei Königen. Sie erzählt vielmehr von Sterndeutern aus dem Osten, die einen besonderen Stern haben aufgehen sehen. Wir erfahren nicht, wer sie waren, aus welchem Land sie gekommen sind, und auch nicht, wie viele es waren. Aus ihrer Entdeckung folgern sie aber, dass irgendwo ein neuer König geboren sein muss. Und den wollen sie suchen.

Damals gab es die Überzeugung, dass sich aus den Gestirnen am Himmel etwas über die Ordnung hier auf Erden ablesen lässt. Sterndeuter waren quasi eine Art Wissenschaftler. Und im weiteren Sinne gehen die Sterndeuter aus der Bibel ja auch so vor. Sie orientieren sich an Fakten, die sie durch Beobachten festgestellt haben. Sie brechen quasi zu einer Expedition auf, um ihre Erkenntnisse zu überprüfen. Und vom boshaften König Herodes, der sie für seine Zwecke einspannen will, lassen sie sich nicht instrumentalisieren.

Als Theologe weiß ich heute aber auch, dass die biblischen Schriftsteller mit der Geschichte von den Sterndeutern eine Legende geschrieben haben. Dass es ihnen um Deutungen geht, um theologische Hinweise auf die jüdische Bibel, unser Altes Testament. Nicht um historische Details. Wenn ich heute den Dom in Köln besuche, dann stehe ich ganz anders als damals vor dem goldenen Schrein. Staunen kann ich immer noch.

Über die handwerkliche Brillanz der Künstler vor 800 Jahren. Über die tiefe Faszination, die dieser Schrein über Jahrhunderte hinweg auf Menschen ausgeübt hat. Wer die Toten sind, die er beherbergt, das bleibt vielleicht für immer sein Geheimnis. Und letztlich ist das auch nicht wichtig. Der Schrein erzählt eben keine Historie. Er erzählt Glaubensgeschichten. Er erzählt davon, dass Gott in die Welt gekommen ist. Und dass ich ihn finden kann, wenn ich mit wachen Augen durch die Welt gehe und nach ihm suche.

Über den Autor Martin Wolf

Martin Wolf wurde 1962 in Schwerte geboren. Er studierte Katholische Theologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster. Seit 1990 ist er beim Bistum Speyer beschäftigt. Von 1993 bis 2004 war er als Pastoralreferent in verschiedenen Pfarreien des Bistums Speyer tätig. 2004 wurde er Leiter der Katholischen Hochschulgemeinde in Kaiserslautern. Als Autor ist er in der Katholischen Rundfunkarbeit bereits seit 2002 engagiert. Von 2010 bis 2017 war er auch Beauftragter des Bistums Speyer beim Südwestrundfunk (SWR) und Saarländischen Rundfunk (SR). Seit Juni 2017 ist Martin Wolf Landessenderbeauftragter der Katholischen Kirche beim SWR in Mainz. Wolf ist verheiratet und hat gemeinsam mit seiner Frau zwei Töchter.