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Wort zum Tage, 06.06.2025

Cordula Klenk, München

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Einfach mal aussteigen aus dem Alltag, den vielen Terminen und Herausforderungen – wer träumt davon nicht? Und für ein paar Tage im Jahr tue ich genau das: Ich steige aus und ziehe mich in ein Kloster oder in ein Besinnungshaus zurück, um an einem spirituellen Angebot teilzunehmen. Die Tage dort sind geprägt von einem wohltuenden Rhythmus, und ich merke, wie die Zeit der Stille und des Gebets mich wieder in Verbindung bringen mit meinem Sein und mit Gott als tiefstem Grund meines Lebens.

Wenn ich dann beflügelt und gestärkt aus diesen Tagen zurückkehre in mein Zuhause, denke ich mir oft: Es wäre so schön, wenn ich ein bisschen aus dieser Zeit in den Alltag mitnehmen könnte. Dass mein Leben etwas durchdrungen wird von der Ruhe und der Kraft, die diese Tage im Kloster ausstrahlen.

Einen Tipp, wie das gelingen könnte, fand ich bei Madeleine Delbrêl. Im säkularisierten Umfeld einer Pariser Arbeitervorstadt lebte sie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sie fand zu einer Alltagsspiritualität, die immer mehr Menschen von heute inspiriert. Sie teilte das hoch beschäftigte Leben der Menschen und wusste, dass es utopisch war, in diese Abläufe eine ausführliche Zeit für die Stille und für das Gebet zu integrieren. Deshalb sprach sie vom sogenannten „Zeitstaub“, also kleinsten Zeitteilchen, die sich wie feiner Staub in das Leben hineinlegen und zusammengefügt ein kleines Stück verwertbarer Zeit ergeben, die sich für einen Moment der Stille oder des Gebets anbieten.

Praktisch veranlagt findet Madeleine Delbrêl diese Momente immer dann, so schreibt sie, "wenn uns das Leben eine Pause gönnt, während wir am Telefon darauf warten, dass sich jemand meldet, während wir an der Haltestelle nach dem Bus Ausschau halten, während wir eine Treppe hinaufsteigen." Madeleine Delbrêl fand gerade in all diesen Momenten, die uns oft ärgern, weil sie uns wie verlorene Zeit erscheinen. Gelegenheiten für eine kurze Besinnung. Eine Möglichkeit, um mit Gott in Kontakt zu treten.

Seit einiger Zeit übe ich mich darin, diesen Zeitstaub in meinem Alltag zu entdecken und merke: Es gibt ihn, er lässt sich in den von Madeleine Delbrêl beschriebenen Gelegenheiten finden, ebenso wie in vielen anderen Momenten. Eine Herausforderung allerdings gibt es, mit der Madeleine Delbrêl noch nicht gerechnet hatte: Für diese Momente darf ich nicht dem Gedanken an Ablenkung nachgeben und muss das Handy aus der Hand legen. Wenn mir das gelingt, werden diese Zeitstaub-Momente für mich zwischen tausend Alltagsdingen zum Segen.

Über die Autorin Cordula Klenk

Dr. Cordula Klenk, geboren 1980 in Göppingen, arbeitet seit Herbst 2022 als Referentin Pastoral für die Malteser in der Region Bayern. Nach dem Theologiestudium (Diplom) und dem ersten Staatsexamen für das Lehramt an Realschulen folgte eine Zeit als Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Promotionsstudentin an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Anschließend absolvierte sie die Ausbildung zur Pastoralreferentin und wurde 2016 Referentin für Flüchtlingshilfe bei den Maltesern im Bistum Eichstätt. Sie hat sich lange Zeit als ehrenamtliche Hospiz- und Trauerbegleiterin engagiert, sie singt im Eichstätter Domchor, ist immer wieder als ehrenamtliche Pilgerbegleiterin unterwegs und auch im Bayerischen Rundfunk in Verkündigungssendungen zu hören. Sie lebt mit ihrem Mann in Mittelfranken.