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Das kalte Herz

Wort zum Tage, 06.07.2023

Pfarrer Jürgen Wolff, Zeitz

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Im Märchen "Das kalte Herz" von Wilhelm Hauff trifft der mittellose Köhler Peter Munk eine folgenreiche Entscheidung. Für ein Leben in Reichtum und Ansehen gibt er sein lebendiges Herz her und bekommt stattdessen ein steinernes Herz. Zunächst scheint dieser Tausch auch aufzugehen. War er vorher arm und ohne Ansehen, fehlt es ihm nun an nichts mehr.

Aber ein solcher Tausch hat einen Preis: Bald muss der Köhler Peter Munk feststellen, dass er sich an nichts mehr erfreuen kann, dass er nicht mehr lachen und weinen kann, keine Liebe empfindet und nichts mehr schön ist. Sein neues Herz aus Stein kann an nichts mehr Anteil nehmen. Und vielleicht noch schlimmer: Jede seiner zwischenmenschlichen Beziehungen geht in die Brüche. Am Ende gelingt es dem Kohlenmunk-Peter aber dennoch mit einer List, sein menschliches Herz wiederzuerhalten. Und die erneut aufkeimende Menschlichkeit in seinem Herzen hilft ihm dann dabei, mit seinen Mitmenschen einen Neuanfang zu beginnen.

Dieses Verhärten des Herzens, das sich Abwenden vom Nächsten und von Gott, aber auch die Perspektive eines Neuanfangs finden wir ähnlich auch in den Worten, die Gott durch den Propheten Ezechiel an das Volk Israel richtet. Dort im Buch Ezechiel, im Alten Testament der Bibel, hören wir eine echte Hoffnungsvision.

Für die ins Babylonische Exil Verschleppten Israeliten wird Gott zum Seelsorger, lässt ER sie in ihren Ängsten und Nöten nicht allein. Gott stellt seinem Volk ein neues Miteinander in Aussicht, dann nämlich, wenn sie sich und ihr Herz wandeln lassen, wenn sie ihr Herz aus Stein gegen ein menschliches Herz tauschen, wenn sie sich wieder in ihrem Nächsten Gott zuwenden, wenn sie menschlich werden.

Doch anders als der Köhler Peter Munk brauchen die Israeliten für diesen Tausch keine List. Es ist Gottes Zuwendung allein, die die Herzen der Menschen wandelt. Und das lässt ER den Israeliten und damit auch uns durch den Propheten Ezechiel ausrichten: "Ich gebe euch ein neues Herz, und einen neuen Geist gebe ich in Euer Inneres. Ich beseitige das Herz von Stein aus eurer Brust und gebe euch ein Herz von Fleisch."

Gott will die Israeliten und damit uns Menschen im Inneren anrühren, dort, wo wir uns als Person erfahren.

Und noch etwas will Gott mit diesem Tausch erreichen: Er will uns eine neue Menschlichkeit schenken! Und diese neue Menschlichkeit im Herzen hilft, mit Gott und den Mitmenschen einen Neuanfang zu beginnen ... und das ist doch mehr als märchenhaft!

Über den Autor Pfarrer Jürgen Wolff

Dr. Jürgen A. Wolff wurde 1971 in Birkesdorf/Düren geboren. Nach seiner Ausbildung in Deutschland und dem Studium der Betriebswirtschaftslehre in England hat er über zwanzig Jahre im In- und Ausland in der Finanzbranche gearbeitet; davon die meiste Zeit in China. Im Rahmen seiner Promotion in England entschied er sich Theologie zu studieren und seiner Berufung zu folgen, Priester zu werden. Nach dem Abschluss des Theologiestudiums in Erfurt begann er 2018 seine pastorale Ausbildung im Bistum Magdeburg, arbeitet nun als Diakon in Bitterfeld und bereitet sich dort auf die Priesterweihe vor. Permanent Horizonte zu erweitern, ist sein Bestreben; Energie und neue Anstöße findet Dr. Wolff durch die Literatur und in der klassischen Musik – besonders in den Werken Händels! Seit 2023 ist er Pfarrer in Zeitz.