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Woran das Herz hängt

Wort zum Tage, 06.11.2023

Andreas Hauber, Ellwangen

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Als ich damals von zuhause ausgezogen bin, hat mir meine Mutter einen kleinen, lächelnden Stoffengel geschenkt, der auf mich aufpassen sollte. Ambrosius ist sein Name. Er ist seither immer in meiner jeweiligen Wohnung auf dem Fensterbrett gesessen und hat, was seine Aufgabe war, auf mich aufgepasst. Seit dem Tod meiner Mutter begleitet er mich überall mit hin. Ich kann gar nicht so richtig erklären warum, irgendwie steht er stellvertretend für etwas von meiner Mutter, das immer bei mir ist. Sobald ich ein paar Tage weg gehe, geht er mit. Auch wenn ich in den Bergen unterwegs bin. Da schaut er dann immer aus der Seitentasche meines Rucksacks und lächelt in die Welt. Ich gebe zu, manchmal habe ich schon seltsame Blicke geerntet und ich bin mir hin und wieder auch schon etwas merkwürdig vorgekommen. Ein erwachsener Mann, der immer ein Stofftier bei sich hat. Aber ich kann ihn irgendwie nicht zuhause lassen. Er muss mit.

Im Sommer war ich wieder in den Bergen unterwegs. Plötzlich habe ich gemerkt, dass etwas nicht stimmt und schließlich entdeckt, dass Ambrosius fehlte. Ich habe es mit der Angst zu tun bekommen. Mir war, als wäre ein wichtiger Teil meines Lebens, ja meines eigenen Wesens, weg. Sofort habe ich mich auf die Suche begeben und bin den Weg zurück gegangen – nichts. Wieder zu der Stelle, an dem mir sein Fehlen aufgefallen war – nichts. Wieder zurück. Etwas in mir hatte panische Angst, ihn nie mehr zu sehen. Etwas anderes hat gesagt: Lass es, er ist nur ein Ding, dann ist er eben weg. Zeit erwachsen zu werden.

Aber ich habe weitergesucht. Und weil ich ihn nicht finden konnte, habe ich schließlich meine Scham überwunden und die anderen Wanderer gefragt, ob sie meinen Stoffengel gesehen haben. Das Überraschende für mich war dabei, dass entgegen meiner Befürchtung die allermeisten mich genau verstanden haben. Der eine oder die andere hat mir sogar erzählt, was er immer bei sich trägt, oder was sie schon verloren hat, das ihr etwas bedeutet hat. All diese Leute haben mich verständnisvoll angeblickt und versprochen, dass sie Ausschau nach Ambrosius halten würden…

Am nächsten Tag habe ich ihn wiedergefunden. Jemand hatte ihn wohl aufgehoben und auf einen größeren Stein gesetzt. Von dort hat er zu mir herunter gelächelt. Ich bin froh ihn wiederzuhaben. Und er kommt immer noch überall hin mit. Denn wenn er dabei ist, spüre ich durch ihn die Anwesenheit meiner Mutter.

Sehr bewegend war für mich an dieser Geschichte die Begegnung mit den anderen Menschen und ihr Verständnis. Ich bin nicht der Einzige, der sein Herz an ein kleines Ding gehängt hat. Ich muss mir deshalb nicht komisch vorkommen.

Über den Autor Andreas Hauber

Es ist eine große Herausforderung über Gott zu sprechen. Ich denke, dass man ihn mit Worten nicht fassen kann, dass alle Begriffe abrutschen und ihr Ziel letztlich verfehlen. Sprechen über Gott kann nur eine Annäherung sein. Das versuche ich auch mit meinen Beiträgen: Mich ihm anzunähern. Ich speise meine Texte aus meinem Leben, aus dem was mir begegnet und was mich umtreibt. Das setze ich in Beziehung zu meinem Glauben. Ich war immer neugierig, wollte immer so viele Facetten des Lebens wie möglich kennenlernen. Vielleicht ist das an meinem beruflichen Werdegang abzulesen. Ich bin gelernter Krankenpfleger, habe Theologie und Philosophie studiert, war 5 Jahre auf einer Berghütte, dann in der Flüchtlingsarbeit tätig, dann Betreuer für einen jungen Mann mit Handicap und noch manches mehr, derzeit arbeite ich auf dem Bau. Ich lebe wieder in Ellwangen, wo ich 1980 auch geboren wurde.