In meinem Arbeitszimmer steht ein Schatzkästchen, und in diesem Schatzkästchen sammle ich Worte, die ich schön finde. Sie fliegen mir zu in Unterhaltungen, in Büchern, in Liedern, und damit ich sie nicht vergesse, schreibe ich sie auf ein kleines Papier und lege sie in das Schatzkästchen. Von Zeit zu Zeit stöbere ich darin, manchmal, weil ich auf der Suche nach einem schönen Wort bin, meistens aber, um mich einfach zu freuen am Klang oder an den Gefühlen oder inneren Bildern, die es in mir auslöst.
Eines dieser Worte lautet "ruminieren" oder "ruminare", wenn man es lateinisch aussprechen möchte. Manche denken bei "ruminieren" an die Rumination, an das mehrmalige Wiederkäuen von Nahrung, wie es zum Beispiel Rinder oder Schafe oder auch Hirsche und Rehe tun. Tatsächlich hat dieses Wiederkäuen auch mit der Rumination zu tun, an die ich denke. Mit "Ruminatio" ist die christliche Tradition des Wiederkäuens von Worten im Herzen gemeint. So, wie eine Kuh auf der Weide unaufgeregt vor sich hin käut, so geht es in der Ruminatio darum, ein bestimmtes Wort im Herzen hin und her zu bewegen.
Wenn ich ein Wort, beispielsweise aus einem Bibeltext, in meinem Herzen bewege, dann geht es darum, mit diesem Wort ganz absichtslos zu spielen und auf die Bilder und Gefühle zu achten, die dabei in mir aufsteigen. Vielleicht entsteht aus diesem Wort auch ein Rhythmus oder eine kleine Melodie, die ich vor mich hin summe und die mich eine Zeit lang begleitet.
Die Idee hinter der Tradition der Ruminatio ist, dass wir darauf vertrauen dürfen, dass Gott selbst durch dieses Wort in uns wirkt und in uns eine Verwandlung bewirkt, die wir für uns erhoffen. Ich glaube, dass ich im Alltag recht oft mit einer Art der Ruminatio beschäftigt bin. Ein Satz, den ich dann in mir bewege, lautet zum Beispiel: "Das schaffst du nie!" oder: "Das bringt eh nichts!" Solche oder ähnliche Sätze haben natürlich eine Wirkung auf uns; sie tun uns nicht gut.
Deshalb will ich heute ein besonderes Wort aus Psalm 139 auf mich wirken lassen, es in mir hin und her bewegen, bis ich spüre, dass es mir etwas zu sagen hat. Da heißt es: "Ich danke dir und staune, dass ich so wunderbar geschaffen bin. Ich weiß, staunenswert sind deine Werke." (Psalm 139,14)