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Denn dein ist die Herzlichkeit

Wort zum Tage, 07.06.2025

Cordula Klenk, München

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"Es liegt mir auf der Zunge" – diese Redensart verwenden wir, wenn wir nach einem Wort suchen und es uns partout nicht einfällt. Manchmal hilft es dann, einfach kurz das Thema zu wechseln. Denn währenddessen denkt das Gehirn trotzdem noch über das gesuchte Wort nach – und gleich darauf ist es wieder da, so dass man im Thema fortfahren kann.

Daran musste ich denken, als mir eine Freundin neulich einen Brief aus dem Krankenhaus schickte.  Am Ende dieses Briefes schrieb sie: "Nun erzähle ich Dir noch von einer besonderen Begebenheit: An einem Abend lag ich im Bett und hatte das Bedürfnis, ein Gebet zu sprechen. Also betete ich das Vater unser, das mir eigentlich gut vertraut ist. Ich sprach innerlich die Worte, die sich wie von selbst aneinanderreihten. Dann kam ich zum Schluss des Gebetes, wenn es heißt: 'Denn dein ist das Reich und die Kraft und die …'" – und die Herrlichkeit ergänzen alle, die dieses Gebet kennen. Meiner Freundin fiel das Wort "Herrlichkeit" aber nicht mehr ein. Stattdessen kam ihr ein anderes, ganz ähnliches Wort in den Sinn: "die Herzlichkeit". Und so beendete sie das Gebet mit den Worten: "Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herzlichkeit in Ewigkeit. Amen."

Wenn ich das Vater unser bete, denke ich oft an diese kreative Wortveränderung; ich finde sie wunderbar. Sicher verbinde ich mit Gott die ewige, erhabene Herrlichkeit, doch es gefällt mir auch, an meinen himmlischen Vater und an seine Herzlichkeit zu denken. Bei Gottes Herrlichkeit denke ich an die strahlende göttliche Kraft, die vom Himmel in diese Welt hineinleuchtet. Die göttliche Herzlichkeit verbinde ich mit Wärme und Anteilnahme, mit einer Freundlichkeit, die vom innersten Kern der Schöpfung in diese Welt ausstrahlt und uns Menschen liebevoll entgegenleuchtet. Durch die Herzlichkeit Gottes weiß ich um seine Nähe, die uns heilsam berührt, die mit uns staunt, die in uns lächelt und uns zu ihrem Wohnort macht.

Jesus legte seinen Jüngern das Vater unser als Gebet ans Herz, als sie ihn baten "Herr, lehre uns beten!" (Lk 11,1) Er wusste um die Sehnsucht der Menschen nach Worten, die uns tragen und halten, damals wie heute. Und so leuchten uns in diesem Gebet ständig neue Facetten der herrlichen Herzlichkeit Gottes entgegen.

Über die Autorin Cordula Klenk

Dr. Cordula Klenk, geboren 1980 in Göppingen, arbeitet seit Herbst 2022 als Referentin Pastoral für die Malteser in der Region Bayern. Nach dem Theologiestudium (Diplom) und dem ersten Staatsexamen für das Lehramt an Realschulen folgte eine Zeit als Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Promotionsstudentin an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Anschließend absolvierte sie die Ausbildung zur Pastoralreferentin und wurde 2016 Referentin für Flüchtlingshilfe bei den Maltesern im Bistum Eichstätt. Sie hat sich lange Zeit als ehrenamtliche Hospiz- und Trauerbegleiterin engagiert, sie singt im Eichstätter Domchor, ist immer wieder als ehrenamtliche Pilgerbegleiterin unterwegs und auch im Bayerischen Rundfunk in Verkündigungssendungen zu hören. Sie lebt mit ihrem Mann in Mittelfranken.