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Lebenskuchen

Wort zum Tage, 07.11.2024

Susanne Bauer, München

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Der Einzelhandel kündigt es schon länger an: die Saison der Lebkuchen, Spekulatius, Kekse und Platzerl ist da. Bei weitem nicht nur Süßigkeiten, sondern von ihrer Entstehungsgeschichte her, echte Lebens-mittel. Sie enthalten Gewürze, die das Herz stärken, den Atem freihalten, den Lebensgeist erquicken. Früher wurden sie in den Klöstern an Arme und Bedürftige verschenkt. Die Formen der Lebkuchen waren oft religiöser Natur und brachten mit dem Genuss auch noch eine Botschaft mit. Herzen, Brezen und Sterne künden auch heute noch davon.

In meinem Küchenschrank drängen sie sich ganz dicht die Ausstecherle. Geformtes Weißblech um Mürbteig oder Lebkuchen in die verschiedensten Formen zu verwandeln. Symbole und perfekte Botschafter, um Körper und Seele zu nähren. Liebevoll gestaltet, feinsinnig und sinnenfreudig.

Aber je feiner und ausgeformter die Umrisse sind, desto schwieriger wird es allerdings ohne Brüche und Verluste zu arbeiten. So manches Mal zerfällt beim häuslichen Backen ein kleines Kunstwerk doch wieder in seine Einzelteile. Der mühsame Zwischenschritt, den Teig immer wieder neu zusammenzufügen und zu verkneten ist unerlässlich für ein gutes Ergebnis.

Als ich früher mit meinen Kindern gebacken habe, da waren sie nur am Ausstechen und Verzieren der Plätzchen interessiert. Ich, als Mama, habe tatkräftig dafür gesorgt, dass der Teig immer schön geschmeidig blieb, glatt ausgerollt wurde, zur neuen Motivation für die Kinder.

Für mich ist das ein berührendes und wärmendes Bild, wie ich mir auch die Liebe Gottes in der Begleitung eines langen Tages vorstelle. Ich, als sein Kind, habe den ganzen Tag meinen Lebens-Teig zu bearbeiten und Formen auszustechen: Anstrengungen und Aufgaben, aber auch Umrisse meiner Pläne und Fantasien. Es sind durchaus komplizierte und komplexe Gebilde dabei. Manchmal werde ich ineffizient oder unvorsichtig und ein andermal machen es mir die äußeren Bedingungen schwer ein perfektes Ergebnis meines Tages zu erzielen. Manchmal kriege ich es einfach nicht gebacken, was da alles auf meiner to-do-Liste steht.

Wie schön, wenn dann da am Ende des Tages eine göttliche Mutter mit Kochschürze steht, der ich meinen zerflederten Lebensteig einfach überlassen darf. Ich vertraue darauf, dass Fürsorge und Liebe ihn bis zum nächsten Morgen wieder etwas glatter und geschmeidiger machen.

Dieses Gottesbild schraubt meine Ansprüche runter und lässt mich meine vielfältigen Aufgaben getrost und gelassen angehen.

Über die Autorin Susanne Bauer

Susanne Bauer, Jahrgang 1966, studierte in München Theologie und arbeitet seit 1993 als Pastoralreferentin in München mit derzeitigem Dienstsitz in der Pfarr- und Universitätskirche St. Ludwig.

Kontakt: SuBauer@eomuc.de