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Chanukkalicht

Wort zum Tage, 08.12.2023

Beate Hirt, Frankfurt

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Heute Abend werde ich eine Kerze in mein Fenster stellen. Und hoffen, dass viele Menschen, die vorbeigehen, sie sehen. Und vielleicht ahnen oder mitbekommen haben, warum die Kerze da brennt. Ich beteilige mich damit an einer Aktion aus dem katholischen Bistum Limburg. Die Region Main-Taunus hat dazu aufgerufen, mit einer Kerze im Fenster Solidarität auszudrücken mit Jüdinnen und Juden. Die feiern nämlich seit gestern ihr Chanukka-Fest. Das ist ein Lichterfest. Acht Kerzen werden auf dem Chanukka-Leuchter entzündet – jeden Tag kommt eine neue dazu. Ein bisschen wie an unserem Adventskranz.

Solidarität mit Jüdinnen und Juden: Die ist mir in diesem Advent besonders wichtig. Wie furchtbar und unfassbar war dieser Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober. Über 1200 Menschen sind ermordet worden, Frauen, Männer, junge Leute und Kinder, sogar Babys. Allein die Zahl lässt einen erstarren. So viele Jüdinnen und Juden sind seit dem Holocaust nicht mehr an einem Tag umgebracht worden. Und völlig schrecklich finde ich auch, dass nun wieder hierzulande Jüdinnen und Juden Angst haben müssen. Sie tragen ihre Kippa oder ihren Davidstern nicht sichtbar, weil sie fürchten, angegriffen zu werden. Der Antisemitismus in unserem Land wächst. Rechtsextreme Parteien haben Zulauf. "Wir fühlen uns nicht mehr sicher", "Wir fühlen uns alleingelassen", "Wir wissen nicht, wohin wir gehen sollen". Solche Sätze von Jüdinnen und Juden in Deutschland machen mich traurig und wütend.

Es ist für mich auch eine Sache meines christlichen Glaubens, gegen Antisemitismus und für Jüdinnen und Juden einzustehen. Auch die katholische Kirche hat sich bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil vor 60 Jahren schuldig gemacht. Sie hat in früheren Jahrhunderten mitgehetzt gegen Menschen jüdischen Glaubens, sie hat sich auch dem Holocaust nicht mutig entgegengestellt. Dabei war Jesus selbst Jude. Und so viel verbindet Juden und Christen. Es sind unsere älteren Brüder und Schwestern im Glauben. Die Psalmen, die Nächstenliebe – so viele Dinge, die mir jeden Tag wichtig sind, habe ich vom Judentum geerbt. Das Judentum gehört zu meinen Wurzeln.

Heute also und in den nächsten Tagen des Chanukka-Festes werde ich meine Kerze ins Fenster stellen. Und damit ausdrücken: Ich bin solidarisch mit Jüdinnen und Juden, ich will, dass sie ihre Feste öffentlich und ohne Angst feiern können. Ich will, dass niemand in Deutschland Angst haben muss, seinen Glauben zu leben und zu zeigen. Die Kerze ist für mich auch ein Hoffnungszeichen: Ich hoffe und bete, dass Frieden und Toleranz sich durchsetzen und leuchten können in unserem Land.

Über die Autorin Beate Hirt

Beate Hirt ist Senderbeauftragte der katholischen Kirche beim Hessischen Rundfunk in Frankfurt. Sie studierte katholische Theologie und Germanistik in Mainz und Paris. Danach war sie als Persönliche Referentin beim Mainzer Bischof Karl Kardinal Lehmann tätig. Seit 2003 ist sie Rundfunkbeauftragte des HR. Sie schreibt und liest gern, am liebsten über Gott. Inspiration und Entspannung findet sie beim Joggen, Wandern und Singen.

Kontakt: info@kirche-im-hr.de und www.kirche-im-hr.de