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Schlag auf Schlag

Wort zum Tage, 09.05.2023

Sr. Ancilla Röttger, Münster

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Manche Menschen trifft‘s wirklich Schlag auf Schlag. Da führt jemand schon ein recht beschwerliches Leben und bekommt noch eine Last darauf gelegt. Da ist jemand schon arm, und das Wenige, das er hat, wird ihm auch noch genommen. Da trägt jemand schon eine schwere Krankheitsdiagnose mit sich, und plötzlich zeigt sich noch eine neue Erkrankung. Schlag auf Schlag. Sieht Gott das denn nicht? Ist Er wohlmöglich auch noch derjenige, der schlägt? Manche gequälten Menschen befürchten das – und verlieren in dieser Furcht alle Hoffnung.

Ich glaube nicht, dass Gott schlägt!

Ein Schlag kommt nicht langsam auf mich zu, sondern trifft mich ganz unverhofft und ohne Vorbereitung. Manchmal schlägt die Bosheit eines anderen Menschen zu, und ich kann nicht ausweichen. Manchmal bin ich selbst es, die mir einen Schlag zufügt. Was sich wie ein Schlag anfühlt, könnte ja auch eine abrupte Konfrontation mit einer Grenze meines Lebens sein. Wenn ich im vollen Lauf vor eine Mauer renne, dann ist das schon ein herber Schlag. Und Krankheit, Armut, Not sind Grenzen meines Lebens, die sich plötzlich enger um mich schließen und meinen Weg im vollen Lauf stoppen können.

Dass ein Schlag nicht nur Vernichtung und Verletzung ist, lehrte mich eine frühere Klassenkameradin von mir. Sie war wirklich hart geschlagen: immer wieder ein neuer schwerer Krankheitsschub, der jedes Mal neu ihr und ihrer Familie einiges abverlangte. Doch die ganze Familie und vor allem ihr Mann waren liebevoll um sie besorgt. Irgendwann machte ihr Mann mir ein kostbares Geschenk. Mit seinem Sohn, einem Kunstschmied, schmiedete er aus einem Stück Eisen eine wunderschöne Rose. Dazu schenkte er mir ein Stück Metall, um mir zu zeigen, wie es auch aussehen könnte. Er sagte dazu: "Ich glaube, so ist das mit uns. Es trifft uns Schlag auf Schlag – und am Ende formt Gott aus all dem eine wunderschöne Rose." Das lässt sich nicht von außen sagen, sondern das darf nur der sagen, der es selbst erfährt.

Einer seiner Arbeitskollegen hatte irgendwann zu ihm gesagt: "Dass Ihr aber auch immer solches Unglück habt!“ "Unglück?", hatte er zurückgefragt. "Glück! Wir haben doch unvorstellbares Glück!" – in der Intensität des geschenkten Lebens in jedem Augenblick. Und ich glaube es ihm! Wieviel Zeit unseres Lebens vergeuden wir, weil uns die Endlichkeit der geschenkten Augenblicke nicht bewusst ist. Achtsam mit jedem Augenblick umzugehen, schenkt wirkliches Glück.

Über die Autorin Schwester Ancilla Röttger OSC

Schwester M. Ancilla Röttger osc, 1951 in Meschede geboren, studierte in Münster Physik und Mathematik. Nach Beendigung des Referendariats trat sie 1976 in den Klarissenkonvent am Dom in Münster ein, wo sie bis heute lebt.