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November 2023

Wort zum Tage, 09.11.2023

Pfarrer Detlef Ziegler, Münster

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Exklusiv nur für dich: Wenn mir etwas unter diesem Label angeboten wird, dann fühle ich mich geehrt und herausgehoben. Das heißt aber auch: Ausschließen, Absondern - Andere gehören nicht dazu!

Hat Jesus nicht Ähnliches angedeutet, wenn er seinen Jüngern einschärft: "Niemand kommt zum Vater außer durch mich?" Dieser Satz stimmt. Es ist der christliche Weg. Wer Gott erkennen will, muss sich an Jesus halten. Aber was ist mit denen, die schon längst angekommen sind?  Was ist mit den Juden, die Jesus zwar als Sohn Gottes nicht anerkennen, mit denen aber Gott schon lange vorher gesprochen hat?

Heute, am 9. November, muss diese Frage in aller Dringlichkeit erneut gestellt werden. An diesem Tag erinnern wir in Deutschland an ein Ereignis, das allen Menschen jüdischen Glaubens vor 85 Jahren eines drastisch vor Augen führte: Ihr gehört nicht dazu! Deutschland zeigte damals aller Welt seine exklusive Fratze.  Das hieß vor allem: Juden raus! Und was mit der Reichspogromnacht einen ersten Höhepunkt erreichte, war nur eine Etappe auf dem Weg einer brutalen Exklusivität. All dies endete in Auschwitz.

Heute, im November 2023, stehe ich fassungs- und sprachlos vor der Wiederkehr dieses bösen Geistes. Noch nie seit 1945 wurden an einem einzigen Tag, dem 7.Oktober, so viele jüdische Menschen in Israel grausam ermordet. Selbst auf unseren Straßen in Deutschland feiern Menschen den brutalen Mord der Hamas.  Es gibt auch in unserem Land, und das schon länger, einen gefährlichen Antisemitismus, bei Zugewanderten wie bei Einheimischen. Wir haben es lange nicht sehen und hören wollen.

Es gehört leider auch zur christlichen Schuldgeschichte gegenüber dem Judentum, dass wir diesem sein Existenzrecht als Volk Gottes über Jahrhunderte abgesprochen haben. Israel galt als das von Gott verworfene Volk. An seine Stelle sei das Christentum getreten, das neue Volk Gottes; exklusiv und ausschließlich.

Niemand kommt zum Vater außer durch mich. Was wir bei diesem Wort Jesu lange vergessen haben? Dass Israel schon längst angekommen war und ist. Gottes Bund mit dem Volk des sogenannten Alten Testaments ist von Gott nie aufgehoben worden. Israels Weg zu Gott steht gleichberechtigt neben dem christlichen Weg. Ja mehr noch: Wir als Christen sind für immer untrennbar mit Israel als Bundesvolk Gottes verbunden. Es gäbe und es gibt uns nicht ohne unsere älteren Glaubens- Schwestern und Brüder, den Juden. Deswegen gilt: Die Existenz Israels gehört nicht nur zur deutschen Staatsräson; sie gehört für immer zur Glaubensräson der christlichen Kirchen.

Über den Autor Pfarrer Detlef Ziegler

Pfarrer Dr. Detlef Ziegler, geboren und aufgewachsen im Ruhgebiet, studierte Theologie, Philosophie, klassische Philologie und Pädagogik in Münster und München. 1985 wurde er in Münster zum Priester geweiht. Von 1990 bis 2001 war er Studienrat am Gymnasium Paulinum in Münster und danach in der Aus- und Fortbildung im Bistum Münster tätig. Zudem hatte er Lehraufträge für philosophische und theologische Anthropologie, Neues Testament und Homiletik in Münster und Paderborn.

Kontakt: ziegler@bistum-muenster.de