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Wachstumsschmerzen

Wort zum Tage, 10.04.2024

Elisabeth Schwope, Dresden

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Letzte Woche war es wieder so weit. Gerade haben wir unsere Kinder ins Bett gebracht. Wenige Minuten später fängt das Jammern an. Die Vierjährige leidet regelmäßig an Wachstumsschmerzen. "Mein Fuß, aua, mein Bein." Nichts hilft mehr, wenn am Abend aller Kummer des Tages sich mit physischen Schmerzen in Armen oder Beinen verbindet. Während ich nun Beine massiere und Mantra artig Schlaflieder singe, kommt mir aber eine leise Vorahnung. Auch ich habe manchmal Wachstumsschmerzen. Nicht körperlich in den Gliedmaßen. Aber ich könnte jammern und möchte am liebsten schreien. Ich sehe und höre so viele Entwicklungen in der Gesellschaft und auf der Welt, die mich schmerzen. Es tut mir ernsthaft weh, wenn als Leitmotiv "höher, schneller, weiter" als einziger Maßstab verwendet wird.  Über manche gesellschaftliche Entwicklung beginne ich zu jammern. Wenn die Mitmenschlichkeit scheinbar unter die Räder kommt; die Menschen in meinem Umfeld lieber an sich, als an Andere denken. Dann möchte ich manchmal wirklich schreien. Nur helfen dabei leider weder Schmerzmittel noch Massagen. 

Vielmehr frage ich mich, was wirklich gegen die Wachstumsschmerzen der Gesellschaft helfen könnte?  Wahrscheinlich bedarf es, wie in der Medizin, einer guten und ausführlichen Diagnostik. Denn statt Symptomen sollten lieber die wirklichen Ursachen behandelt werden.

Ich bin davon überzeugt: schon Umsicht und Nachsicht, weniger Vorurteile und weniger festgefahrene Prinzipien könnten helfen. Hinsehen, statt vor den Sorgen anderer Menschen wegzuschauen. Und eine ernsthafte Nachfrage, statt voreilig Bewertungen zu treffen. Vielleicht beginnt das Miteinander mit einem freundlichen Wort im Treppenhaus. Oder mit einer aufgehaltenen Tür. Ein ehrliches "Wie geht es dir heute?" kann bereits ein erster Schritt sein. Einen Schritt auf meine Mitmenschen zu gehen, könnte ein Anfang sein.

Aber es geht sicherlich noch viel mehr. Eigene Bedürfnisse auch einmal zurückstecken, wenn Andere Hilfe brauchen. Mein Handeln nicht auf Gewinn und Profit ausrichten. Das sind alles Schritte gegen zu schnelles Wachstum. Heute Morgen werde ich die doppelte Dosis Menschlichkeit versuchen. Auf einen Versuch kommt es zumindest an. Und wer weiß, vielleicht sind heute Abend meine Wachstumsschmerzen nicht ganz so schlimm.

Über die Autorin Elisabeth Schwope

Geboren 02.08.1990 in Löbau /Sachsen, aufgewachsen in der Oberlausitz, heute wohnhaft in Dresden, verheiratet, zwei Kinder.

2009-10 nach dem Abitur Freiwilliges Soziales Jahr in Zittau

2010-13 Studium der Religionspädagogik in Freiburg/Breisgau

2013-14 Berufspraktisches Jahr in Zwickau

2014-2017 Schulseelsorgerin am Bischöflichen Maria-Montessori-Schulzentrum in Leipzig

2014-16 Gemeindeassistentin in Leipzig-Grünau

ab 2016 Gemeindereferentin in Leipzig Nord

Herbst 2017 – Herbst 2021 in Elternzeit

Seit 2021 Gemeindereferentin in Dresden, Pfarrei Selige Märtyrer vom Münchner Platz

Kontakt: elisabeth.schwope@pfarrei-bddmei.de