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Happy new ear

Wort zum Tage, 10.04.2025

Guido Erbrich, Leipzig

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Es war ein normaler Donnerstag im Februar. "Happy new ear – glückliches neues Ohr" war das Konzert der Magdeburger Philharmonie überschrieben. Die Idee dahinter, wer wollte, konnte bei der Aufführung einer Brahms Sinfonie mitten im Orchester auf der Bühne sitzen und so Musik mit "neuen Ohren" hören.

Die Plätze wurden verlost und ich hatte Glück. Also in der Konzertpause mit ein paar anderen, die auch Plätze ergattert hatten hinter den Kulissen auf die Bühne gehen und Platz nehmen. Zwischen den Musikern leere Stühle ohne Notenpulte, darauf diskret ein paar Ohrstöpsel platziert. Aha, es könnte also laut werden. Rechts vor mir Streicher, von Links die Blechbläser, direkt vor mit Oboen, Flöten und Fagotte und hinter mir sitzt die Feuerwehrfrau, die aufpasst, dass nichts anbrennt.

Das Licht geht aus. Die Dirigentin kommt und das Orchester startet durch. Und tatsächlich, es klingt ganz anders. Wuchtig schmettern Posaunen und Trompeten, bei den Holzbläsern sind die Klappengeräusche zu hören, das Umblättern von Noten, das Kratzen der Bögen auf den Kontrabässen. Da ich, mittendrin sitze, ist es wirklich ein Surroundergebnis besonderer Güte.

Obwohl es die gleiche Musik ist, die das Publikum im Saal hört, ich höre sie mit anderen Ohren. Und ich höre Dinge, die ich sonst überhöre oder vielleicht auch von anderen Positionen gar nicht wahrnehmen könnte. Und natürlich sehe ich auch anders. Die Dirigentin schaut und fuchtelt mit den Armen, als ob sie mich meint. Aber sie meint nur alle, die mit ihren Instrumenten um mich herumsitzen.

Und, ich schaue ins Publikum. Nicht aus dem Publikum heraus. Da im Saal das Licht aus ist, ahne ich es mehr als ich es sehe. So ein Platzwechsel ist eine andere Erfahrung für alle Sinne. Und ist auch eine tolle Übung, für alles, was wir so hören und sehen.

Perspektivenwechsel, heißt das im Fachhochdeutsch. Das geht nicht nur bei der Musik im Konzertsaal. Das passt auch für unser tägliches Miteinander.

Einfach mal auf das zu achten, was als Unterton leise mitschwingt, was sich nicht gleich klanglich durchsetzt, auf Nebengeräusche und die Hauptmelodie. Nicht nur dorthin schauen, wo der Fokus voll drauf ist. Auch dorthin, wo es dunkler ist. Das erstaunliche ist, meine Wahrnehmung wird dadurch weiter-nicht enger.

Dazu muss ich nicht mal unbedingt ins Konzert gehen, obwohl, mal ganz ehrlich, es dort vermutlich mit am tollsten klingt.

Über den Autor Guido Erbrich

Guido Erbrich, geboren 1964, ist Vater von vier Töchtern. Er lernte den Beruf des Tontechnikers bei Radio DDR und arbeitete bis 1987 beim Sender Leipzig. Danach schloss er ein kirchliches Abitur in Magdeburg ab. Sein Studium der Theologie führte ihn nach Erfurt, Prag und New Orleans. Im Bistum Dresden-Meißen war Erbrich bis 2002 Referent in der Jugendseelsorge. Danach wechselte er als Studienleiter und Referent ins Bischof-Benno-Haus nach Schmochtitz. Bis 2010 leitete Erbrich die Katholische Erwachsenenbildung Sachsen. Von 2010 bis 2020 war er Leiter der Heimvolkshochschule Roncalli-Haus Magdeburg. Seit 2020 ist er der Senderbeauftragte der Katholischen Kirche für den MDR.

Kontakt: Guido.Erbrich@bddmei.de