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Aufhören

Wort zum Tage, 10.06.2023

Dietmar Kretz, Würzburg

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"Jetzt hör ich auf", hab ich gerade ganz laut gesagt und die Steuererklärung auf dem Schreibtisch liegen lassen. "Irgendwann muss Schluss sein!" Aber: Es ist ja gar nicht immer so einfach, aufzuhören. Bei unangenehmen Arbeiten will ich das jetzt einfach fertig machen. Augen zu und durch. Oder ich bin von einer Sache gefesselt: Den Gedanken schreibe ich noch hin, das eine Kapitel lese ich noch oder ich schau mir von der Serie noch die nächste Folge an, wo es doch gerade so spannend ist.

"Aufhören" – das ist eigentlich ein ganz besonderes Wort. Der Soziologe Hartmut Rosa nennt es eines seiner Lieblingswörter. Er deutet die Bedeutung von "Aufhören" so: "Wir halten inne und hören hin." Aufhören bringt also einen positiven Zungenschlag in jegliche Art von Unterbrechung: Wenn ich mit etwas aufhöre, dann bin ich auch bereit, auf etwas Neues zu hören, mich von etwas anderem ergreifen zu lassen oder mich einer neuen Perspektive zuzuwenden. Und wir hören auch am Abend auf, wenn der Tag zur Ruhe kommt. Manche begleiten diese Unterbrechung mit Ritualen wie einem Glas Tee, einem Buch oder guter Musik. Und an jedem neuen Morgen höre ich wieder hin, was der neue Tag mir bringt.

Für den berühmten König Salomon, der in der Bibel wegen seiner Weisheit gerühmt wird, scheint das Hören auch so eine Art Lieblingswort zu sein. Nachdem sein Vater David 40 Jahre regiert hat, wurde Salomon der neue König. Da hat eine Epoche aufgehört und eine neue Ära begonnen. An diesem Anfang, so heißt es, erscheint Gott dem jungen König Salomon im Traum. Salomon soll einen Wunsch formulieren, der ihm dann auch gewährt werde. Und Salomon bittet daraufhin nicht um Macht, Unverwundbarkeit oder ewigen Reichtum. Er bittet: "Verleih mir, Herr, ein hörendes Herz."

Ja, nicht nur, um ein guter König zu werden braucht es diese Aufmerksamkeit. Wenn ich etwas anfange, wie mit diesem Tag, jetzt an diesem Morgen, dann ist es gut, um ein hörendes Herz zu bitten. Um wieder offen zu sein für meine Mitmenschen, die Schöpfung und für das, was mir an diesem Tag begegnen will.

Über den Autor Dietmar Kretz

Dr. Dietmar Kretz, Jahrgang 1971, ist Studienleiter an der Domschule in Würzburg mit den Schwerpunkten Glauben und Kirche. Zuvor hat er Theologie und Mathematik studiert. Nach der theologischen Promotion war er in der  Gemeindepastoral tätig bis er in die Erwachsenenbildung gewechselt ist.