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Der Weg des Friedens

Wort zum Tage, 11.09.2024

Felicitas Richter, Berlin

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Von meinem Schreibtisch aus blicke ich in unseren Garten. Normalerweise eine Augenweide – bunte Blumen, Gänseblümchenwiese, summende Insekten. Nicht in diesem Sommer. Vieles ist so überwuchert, dass kaum Blumen und Gemüse zu sehen sind. Ich hatte keine Zeit, mich rechtzeitig darum zu kümmern.

Der Anblick macht mich mutlos. Wo soll ich anfangen? Der Garten, der mir sonst Freude bereitet, ist mir dieses Jahr über den Kopf gewachsen. Irgendwann raffe ich mich dann doch auf und beginne, das wilde Kraut mit Unkrautstecher und Grabegabel zu bekämpfen. Die Arbeit ist mühselig, die Wurzeln tief. Dabei reiße ich auch Blumen aus.

Ich habe keine Freude an dieser Arbeit. Ich tue sie, weil sie getan werden muss. Unterschwelliger Ärger treibt mich an. Derselbe Ärger, den ich spüre, wenn ich gegen Unordnung kämpfe, gegen Unrecht und schlechte Stimmung. Dieser Ärger überkommt mich, wenn ich einen Fehler gemacht habe, wenn andere nicht tun, was sie sollen oder wenn unsere Welt von Konflikten und Müll überschwemmt wird. Ärger ist eine mächtige Energie. Manchmal ist er die Initialzündung, um Dinge in Bewegung zu bringen. Aber er macht keine Freude und das Leben selten besser.

Was am Ende meiner Hauruck-Aktion im Garten übrigbleibt, bietet einen kläglichen Anblick. Zu lange haben Licht und Wasser gefehlt. Doch nun ist Raum für Neues. Ich freue mich darauf, wieder täglich nach den Blumen zu schauen, sie zu hegen und zu pflegen, damit sie wachsen und gedeihen.

Während ich heute, am 11. September, in meinen Garten blicke und über unsere Sehnsucht nach Frieden nachdenke, kommt mir ein Gedanke: Frieden gedeiht nicht durch das bloße Ausrotten von Konflikten. Er wächst nicht allein durch das Beenden von Streit.

Frieden ist die liebevolle Fürsorge, die wir in jede unserer Handlungen legen. Frieden ist die tägliche Pflege, die wir unseren Beziehungen schenken. Frieden ist die Achtsamkeit, mit der wir der Schöpfung begegnen. Heute möchte ich den Weg des Friedens gehen. Einem Fremden, der müde und gestresst aussieht, ein Lächeln und ein freundliches Wort schenken. Meinem Partner zuhören, ohne gleich zu werten. Verständnis haben, auch wenn ich nicht einverstanden bin. Mir selbst gegenüber nachsichtig sein, wenn ich mich wegen eines Fehlers hart verurteile.

Ich möchte nicht einfach nur gegen Kriege sein und mein Glück davon abhängig machen, dass sie endlich enden. Ich möchte den Weg des Friedens aktiv gehen. Heute, morgen – und jeden Tag.

Über die Autorin Felicitas Richter

1970 in der Lausitz geboren, prägte mich meine Kindheit und Jugend in der Katholischen Kirche der DDR. Gemeinde war für mich mitten in der Diaspora ein Ort, an dem ich meine Meinung frei äußern, christliche Werte teilen und den Glauben leben durfte. Dieser war immer geprägt von der Überzeugung, dass Gott in jedem Moment unseres Lebens gegenwärtig ist – eine Botschaft, die ich in jedem meiner Berufsfelder weitergeben konnte. So studierte ich Sozialpädagogik, arbeitete 23 Jahre als Religionslehrerin und Schulseelsorgerin im Erzbistum Berlin und war Therapeutin in einer Mutter-Kind-Klinik. Heute bin ich selbstständig und halte Vorträge und Seminare für Menschen mit familiären Sorgeaufgaben und beruflicher Verantwortung.

Kontakt: www.felicitas-richter.de