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Leben in Fülle

Wort zum Tage, 12.03.2024

Dominik Frey, Baden-Baden

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Ich habe einen Text gelesen über Gott und Vollmilch. Erst mal hat mich der Titel "Gott und Vollmilch" irritiert, allerdings auch neugierig gemacht. Und dann hab ich den Text beim ersten Lesen überhaupt nicht kapiert. Vielleicht geht´s Ihnen da anders. Der Text stammt von der Autorin und Bloggerin Susanne Niemeyer und geht so:

"Gestern Gott getroffen. Wir standen an der Kasse, er kaufte Milch, Eier und Käse. Mein Blick blieb an der Milchtüte hängen. Es war Vollmilch. Eigentlich klar." [1]

Hä? Mir war erst mal gar nichts klar. Warum kauft Gott Vollmilch und warum soll das "eigentlich klar" sein? Der Text hat mich zum Nachdenken angeregt. Es hat gerattert bei mir, und dann habe ich mich an eine Stelle im Neuen Testament im Johannesevangelium erinnert gefühlt. Da sagt Jesus: "Ich bin gekommen, damit ihr das Leben habt, und es in Fülle habt." Seitdem ist unter Theologen oft vom "Leben in Fülle" die Rede.

Leider ist das "Leben in Fülle" nicht immer der erste Eindruck, wenn ich an Gott denke. Oft habe ich auch das Gefühl, er versteckt sich, lässt die Menschen einfach machen, ich zweifle an ihm, habe Schwierigkeiten mit ihm oder sehe ihn gar nicht mehr. Aber dann gibt es eben auch diesen Vollmilch-Gott, der nur die beste Milch kauft, einer der alles möglich machen will, der nicht kleckert, sondern klotzt.

Das sehe ich, wenn im Frühjahr die Knospen aufspringen, wenn die Wiesen blühen, wenn ich sehe, wie verschwenderisch viele Arten von Tieren, Fischen und Insekten es gibt. Wenn ich ein Schwarzwald-Panorama genieße, wenn ich in den Bergen bin oder an einem endlosen Sandstrand. Wenn ich frische Morgenluft einatme oder wenn ich mit Freunden am Lagerfeuer sitze. Wenn ich Saxofon spiele oder frischen Rhabarberkuchen esse. Wenn mich leichter Sommerregen trifft oder wenn ich die Stimme meines kleinen Sohnes am Telefon höre. Wenn ich in einer stillen Kirche sitze oder in einer gemütlichen Kneipe. Wenn ein Herbststurm an mir rüttelt oder wenn ich mich nach einem langen Tag todmüde aufs Bett fallen lasse mit der Überzeugung: Jetzt erst mal richtig ausruhen.

"Leben in Fülle" meint ein "erfülltes Leben". Das muss nicht vollgestopft sein mit immer neuen Sachen, mit Luxus oder Wellness. Nein, die Dinge, die mich erfüllen, die sind meistens eher klein, unscheinbar und manchmal übersehe ich sie sogar. Deshalb ist es gut, wenn ich immer wieder danach Ausschau halte.


[1] aus: Susanne Niemeyer: 100 Experimente mit Gott, Herder Verlag Freiburg 2018, S. 138.

Über den Autor Dominik Frey

Dominik Frey, geboren 1968 in Überlingen am Bodensee, ist Pastoralreferent und Rundfunkbeauftragter der Erzdiözese Freiburg beim SWR. Nach dem Studium der Theologie in Freiburg und Dublin hat er sechs Jahre in einer Musikschule als Saxofonlehrer gearbeitet. Außerdem war er Dirigent und mit Bandleader. Während der Ausbildung zum Pastoralreferenten wurde er Autor für SWR3 und hat die journalistische Ausbildung am ifp in München absolviert. Dominik Frey fährt gerne Motorrad, liebt Snowboarden und Geocaching und natürlich seine Frau und seine beiden Jungs. Er lebt in Baden-Baden.