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Gott ist da!

Wort zum Tage, 12.03.2025

Andreas Brauns, Schellerten

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Madeleine Delbrêl war Poetin, Sozialarbeiterin und als Jugendliche erklärte Atheistin. Geboren vor gut 120 Jahren im Südwesten Frankreichs schrieb sie als 17-Jährige "Gott ist tot". Davon war sie überzeugt. Damals studierte sie an der Sorbonne in Paris – Kunst und Philosophie. Dann verliebt sie sich in einen überzeugten Christen. An ihrem 19. Geburtstag verlobt sich das Paar. Und Madeleine Delbrêl beginnt, sich mit dem christlichen Glauben auseinander zu setzen. Dann ein Schock: Ihr Verlobter verlässt sie und tritt in einen Orden ein. Und: Delbrêls Vater wird blind. Die junge Frau gerät in eine Krise, wird schwer krank.

Und sie ändert ihre Ansichten. Durch ihren ehemaligen Verlobten ist sie jungen Frauen und Männern begegnet, die verantwortungsbewusst leben und dabei vertrauen auf einen Gott. Sie will es auch versuchen mit diesem Gott.

Madeleine Delbrêl wird Sozialarbeiterin. Sie lebt mit einigen anderen Frauen unter den Menschen im kommunistischen Arbeitermilieu in Ivry nahe Paris. Und erlebt, wie christliche Firmenbesitzer Menschen ungerecht behandeln, ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu haben. In diesem Umfeld entdeckt sie Gott. Sie wird zu einer Mystikerin, zu einer Frau, die Gott überall findet: Auch unter Menschen, die mit der Kirche nichts zu tun haben, von ihr auch nichts erhoffen. Als Katholikin unter kommunistischen Frauen und Männern spürte sie, Gott kann ich überall begegnen – auf dem Fahrrad, beim Warten auf einen Kollegen, bei der Arbeit. Gott ist da. Darum hat sie gar nicht erst versucht, die Menschen in die fremde Welt der Kirche zu holen. Sie hat sie in ihrer Welt an einen Tisch eingeladen, um mit ihnen zu überlegen, wie sie miteinander leben können. Damit hat sie Gott einen Platz gesichert außerhalb der Kirchenmauern.

Gott braucht keine Kirchen oder Kathedralen, um unter den Menschen zu sein. Und um Gott nah zu sein, braucht es keine sperrige Tradition, kein hohes Amt oder kluge Sätze. Es ist vielmehr die je eigene Art zu glauben und das Leben anzunehmen, andere Menschen zu sehen, Leben und Sorgen mit ihnen zu teilen.

Christinnen und Christen sollen nicht hinter verschlossenen Türen glauben. Da sollen sie beten. So ist es nachzulesen in der Bibel. Aber glauben und Gott begegnen können sie mitten im banalen Leben unter den Menschen im Alltag. Doch wie oft erleben Menschen das, was Madeleine Delbrêl einmal so formuliert hat: "O Gott, wenn du überall bist, wie kommt es, dass ich so oft woanders bin?"[1] Vielleicht sind sie gar nicht woanders, aber einfach nicht aufmerksam für Gott. Weil sie ihn - nach ihrem Bild – nur an ganz bestimmten Orten erwarten – etwa hinter Kirchenmauern. Doch Gott ist ganz anders. Er ist unterwegs zu finden im banalen Leben. Dort kommt er mir entgegen. Und wenn ich selbst ganz da bin, nehme ich das auch wahr.


[1] Jesuiten – Madeleine Delbrêl – Mystikerin des Alltags 2024-4, 23

Über den Autor Andreas Brauns

Andreas Brauns wurde 1962 geboren. Er ist verheiratet und Vater von drei Töchtern. Nach dem Theologiestudium in Frankfurt am Main und Freiburg im Breisgau absolvierte er seinen Zivildienst in Hannover. Während dieser Zeit gab es erste Kontakte zur kirchlichen Rundfunkarbeit. Seit 1995 arbeitet er als Redakteur im "Katholischen Rundfunkreferat für den NDR". Zudem arbeitet er seit einigen Jahren auch als Beauftragter für Funk- und Fernsehen im Bistum Hildesheim. Ein Wort des Apostels Paulus im Römerbrief begleitete ihn seit dem Studium: "Wie sollen sie an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie hören, wenn niemand verkündigt?"

Kontakt: andreas.brauns@bistum-hildesheim.de