Zu den schönsten Texten der Bibel gehört für mich die Emmausgeschichte. Der Evangelist Lukas hat sie aufgeschrieben. Sie spielt am Abend des Ostertages. Zwei Freunde Jesu sind unterwegs. Ihr Ziel: Emmaus, ein Dörfchen bei Jerusalem. Gut zwei Stunden Fußweg. Ein Passant schließt sich ihnen an; sie sehen in ihm zunächst einen Fremden. "Worüber redet ihr?" Seine Frage trifft sie. Weiß der andere nicht, was sich ereignet hat? Nichts von ihrer Enttäuschung und Verzweiflung?
Der Verrat des Judas, die Verhaftung Jesu, Verhöre - kurzer Prozess. Kreuzigung unmittelbar vor dem Pessach-Fest in Jerusalem. Jesus ist tot! Merkwürdige Berichte, das Grab Jesu sei am Morgen leer gewesen: Sie können sie nicht einordnen. Im Moment ist alles düster, dunkel. Solche Situationen kennen Menschen zur Genüge. Alles ausweglos!
Der Künstler Thomas Zacharias hat die Wanderung nach Emmaus in einem Holzschnitt eingefangen. Er spricht mich sehr an. Im unteren Teil erkennt man zentral die beiden Jünger, mit dem Rücken zum Betrachter. Zwischen ihnen der Begleiter, den sie nicht kennen, besser: nicht er-kennen.
Um sie herum: alles dunkel, düster, schwarz. Auf dem vorgezeichneten Weg jedoch, der vor ihnen liegt, ist alles grün – voller Hoffnung. Auf diesem grünen Weg durch grüne Umgebung sind aber auch etliche rote Flecken zu erkennen: kleine Flammen. Sie züngeln auf, Glühwürmchen gleich säumen sie den Weg. Woher kommen solche leuchtenden Funken, wenn alles dunkel und kalt ist?
Die Erzählung lässt erahnen: Es ist die Erinnerung. Die beiden Männer reden miteinander – das tut gut, wenn man traurig ist. Dann bloß nicht alleine bleiben und düsteren Gedanken nachhängen. Der dritte, der noch Unerkannte, erzählt ihnen Dinge, die sie sämtlich kennen, aber vergessen haben. Da brennt es in ihrem Herzen, berichten sie später. Und dann erkennen sie den, der mit ihnen auf dem Weg ist: Es ist Jesus, der Auferstandene!
Ostern ist Verstehen, geschieht im Begreifen, im Ergriffen werden. Funkenflug auf dem Weg. Das erleben Menschen manchmal, wenn sie traurig sind. Der Blick zurück: Da wandelt sich Trauer zum Jubel. Der Künstler Zacharias zeigt das in einem schmalen Streifen am oberen Bildrand. Hier wandelt sich in seinem Bild die grüne Farbe in orange und goldene Töne. Die aufgehende Ostersonne möchte ich darin sehen.
Einen Sonnenaufgang kann man nicht machen, aber geschehen lassen und erleben. Der Tod behält nicht das letzte Wort. Christus ist auferstanden, das feiern Christen an Ostern. Der Sieg des Lebens sprengt Mauern und Grenzen, alle Vorstellungen. Er führt zu neuen Deutungen und einer neuen Weltsicht.