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Im Vater sein

Wort zum Tage, 12.04.2025

Guido Erbrich, Leipzig

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Schon als Kind hat mir die Geschichte gefallen. Jesus als 12-Jähriger im Tempel. Von wegen "braves Jesuskind". Er macht ein wenig was er will. Und das steht sogar in der Bibel. Die Geschichte ist schnell erzählt: Jesus ist 12 Jahre alt. Mit seinen Eltern Maria und Josef reist er in einer mehrtägigen Wallfahrt nach Jerusalem. Sie sind mit vielen anderen Menschen unterwegs. In Jerusalem feiern sie ein großes Fest. Vermutlich das Pessach Fest.  Auf dem Rückweg machen sich seine Eltern große Sorgen. Sie finden ihren Sohn einfach nicht. Er wird schon irgendwo unter den vielen Leuten sein, mögen sie anfangs denken. Aber dann beginnen sie zu suchen. Zu guter Letzt gehen sie nach Jerusalem zurück und finden ihn im Tempel.

Ihre Suche hat drei Tage gedauert. Im Tempel sitzt Jesus unter den Schriftgelehrten, hört ihnen zu und debattiert mit ihnen. Die Schriftgelehrten staunen über den "Jungen voller Weisheit". Als seine Eltern ihn zur Rede stellen wollen, hat er für sie dagegen einen typischen Teenie Spruch parat:  "Warum habt ihr mich gesucht?"

Und dann kommt ein Satz, der zu den wichtigsten im Lukasevangelium gehört: "Ihr wusstet doch, dass ich in dem sein muss, was meines Vaters ist". Es sind die ersten Worte die Lukas Jesus in seinem Evangelium in den Mund legt: "Ihr wusstet doch, dass ich in dem sein muss, was meines Vaters ist".

"In dem sein, was des Vaters ist". Eine eigenwillige Sprache. Mit Vater ist Gott gemeint. Und Gott ist für Jesus nicht ein irgendwie geartetes göttliches Wesen, das sich hinter Wolken versteckt. Dieser Gott ist mitten in der Welt. Jesus wird sein ganzes Leben so gestalten, genau das zu leben und zu zeigen. Immer wieder führt er Menschen mit dahin, wo der Vater ist. Selten im Tempel oder in Synagogen.

Nein, Jesus geht zu Zöllnern, zu Prostituierten, zu Aussätzigen und Kranken. Gott, so seine Provokation, ist vor allem da, wo die Menschen sind. Den Tempel braucht er nicht. "Ich werde den Tempel einreißen und in drei Tagen wieder aufbauen" hatte er voller Zorn mal den Pharisäern gesagt. Jesus macht ein Leben lang klar: Dort, wo die Liebe wohnt, wohnt Gott – und dort herrscht ein anderer Geist als der der Strafe, der Angst und der Selbstgerechtigkeit. Die Liebe Gottes kann man sich nicht erkaufen. Nicht jeder mag das hören. Der Konflikt eskaliert und er wird ans Kreuz geschlagen. Wieder ist er weg.

Und wieder ist er nach drei Tagen wieder da. Auferstanden von den Toten. Lukas macht mit einem einfachen Bild deutlich, was im Vater sein heißt. Ein Leben, vor und nach dem Tod.

Über den Autor Guido Erbrich

Guido Erbrich, geboren 1964, ist Vater von vier Töchtern. Er lernte den Beruf des Tontechnikers bei Radio DDR und arbeitete bis 1987 beim Sender Leipzig. Danach schloss er ein kirchliches Abitur in Magdeburg ab. Sein Studium der Theologie führte ihn nach Erfurt, Prag und New Orleans. Im Bistum Dresden-Meißen war Erbrich bis 2002 Referent in der Jugendseelsorge. Danach wechselte er als Studienleiter und Referent ins Bischof-Benno-Haus nach Schmochtitz. Bis 2010 leitete Erbrich die Katholische Erwachsenenbildung Sachsen. Von 2010 bis 2020 war er Leiter der Heimvolkshochschule Roncalli-Haus Magdeburg. Seit 2020 ist er der Senderbeauftragte der Katholischen Kirche für den MDR.

Kontakt: Guido.Erbrich@bddmei.de