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Rentnerin werden

Wort zum Tage, 12.08.2024

Sabine Lethen, Essen

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Ich habe Urlaub – zum letzten Mal im Leben – in sieben Wochen bin ich Rentnerin. Viele sehen ihrem Ruhestand ja mit Bangen entgegen. Ich freue mich – auf Ruhe, auf Entschleunigung, auf weniger "ich muss" und mehr "ich möchte", auf deutlich weniger Verantwortung und auf viel mehr Zeit mit der Familie. Auf Zeit für Freundinnen und Hobbys, für Geselligkeit und spontane Entscheidungen, auf Zeit für mich – fürs Nichtstun – fürs einfach nur dasitzen und schauen und lauschen.

Ja, und aufräumen will ich auch, ausmisten, durchsortieren. All die Bücher und Zeitschriften zur Hand nehmen, die in der zweiten Reihe in meinen Regalen lagern. Was will ich nochmal lesen, was gerne noch ein Weilchen aufbewahren? Was ist vorbei – kann weg? All die kleinen Mitbringsel, die sich im Laufe der Jahrzehnte so angesammelt haben, will ich einzeln in die Hand nehmen: Weckt diese Karte, jener Stein, das Figürchen heute noch Erinnerungen, die wichtig sind, die heute immer noch wichtig sind, die mir irgendwann mal guttun können? Was ist nicht mehr als ein nettes Stehrümchen, ist zum Staubfänger geworden? Und dann möchte ich für das, was bleiben soll, einen guten Platz finden – will mich auch äußerlich neu einrichten für diesen neuen Lebensabschnitt.

Natürlich will ich auch den Keller aufräumen und den Dachboden und künftig regelmäßig kochen und jede Woche zum Yoga gehen und täglich ein Ründchen um den Block drehen und gesünder leben und Neues entdecken …

Ach, mich "brennt’s in meinen Reiseschuh'n" ... Joseph von Eichendorff hat das in einem Gedicht so schön formuliert: Ich habe Aufbruch-Lust, freue mich auf neue Kulissen und neue Szenen. In meinen Augen ist aber auch die letzte Strophe des Eichendorff-Textes von den Reiseschuhn wahr und wichtig: Wir kennen nicht den letzten Akt. Wir wissen weder was da konkret gespielt werden wird noch, wann es so weit ist. Also: nichts wie los! Ich will "spielen", will agieren, meine neue Rolle finden und sie gestalten. Will neue Wege wagen und auch manch Altes wiederbeleben, will staunen und mich überraschen lassen. Ich bin gespannt, wie es werden wird – gespannt und zuversichtlich – gehe mit viel Lust und Neugier und jeder Menge Gottvertrauen los.

Über die Autorin Sabine Lethen

Sabine Lethen, Jahrgang 1958, ist verheiratet, Mutter von vier erwachsenen Töchtern und Großmutter. Im Laufe des Lebens absolvierte sie eine Ausbildung zur Erzieherin, das Studium der Sozial- sowie der Religionspädagogik. Seit 2003 steht sie als Seelsorgerin im Dienst des Bistums Essen, seit 2017 leitet sie dort eine Gemeinde innerhalb einer Essener Pfarrei.

Kontakt: sabine.lethen@bistum-essen.de