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Der liebe Gott ist ein Schlawiner

Wort zum Tage, 13.01.2025

Michael Kinnen, Berlin

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"Der Liebe Gott ist schon ein Schlawiner." Das denk ich mir manchmal mit einem Augenzwinkern, wenn manches in meinem Leben anders läuft als geplant. Ein Beispiel: Ich fahre viel mit der Bahn. Und da kommt es manchmal vor, dass der Anschluss nicht klappt. Wie neulich: Zug zu spät. Noch versucht, schnell zum anderen Bahnsteig zu rennen. Aber dann ist doch der Anschlusszug direkt vor der Nase weggefahren. So ein Mist. Einem anderen Reisenden ging's genauso. Und so standen wir da am Bahnsteig, blickten uns an, verärgert, außer Puste und etwas ratlos. Wie kommen wir jetzt weiter?

So kamen wir ins Gespräch. Wir hatten dasselbe Ziel an diesem Tag und so kam es, dass wir den nächsten Zug gemeinsam nahmen, weiter redeten und dabei so manche Gemeinsamkeit entdeckten. Da gab es reichlich Gesprächsstoff. Ohne die verpasste Bahn hätten wir uns wohl nicht angesprochen und voneinander erfahren. Jetzt verging die Zugfahrt gefühlt viel schneller, als wenn ich alleine gefahren wäre.

Klingt alles ziemlich banal. Aber genau in so einem ganz banalen Moment hab’ ich gedacht: "Lieber Gott, du bist schon ein Schlawiner, hast es eingerichtet, dass ausgerechnet wir beiden uns vorher unbekannten Bahnfahrer an dem Tag getroffen haben und so eine interessante Fahrt mit guten Gesprächen erlebt haben. Danke dir!" Das Ganze hat jetzt keine weitere Pointe. Es hat mein Leben nicht grundlegend verändert. Es bleibt vielleicht sogar banal. Aber gerade deshalb auch so vertraut-alltäglich.

Da gibt es natürlich auch noch ganz andere Situationen. Weniger banal. Wenn's halt mal wirklich richtig brenzlig wird. Wenn es so richtig schief läuft im Leben und es sich nicht so locker-leicht auflösen lässt. Wenn es um Krankheit, Leiden, Not oder Tod geht. Ob ich dann auch noch den "Schlawiner-Gott" vor mir habe und ihn so ansprechen kann? Das Wort soll ja nicht despektierlich sein. Ganz im Gegenteil. Es ist ein vertrautes, fast kumpelhaftes und doch höchst respektvolles Wort. Der Schlawiner ist mir ja immer einen kleinen Schritt voraus. Im besten Sinn humorvoll, weil er mir die Schwere nimmt, die mich scheinbar ausweglos bedrückt. Der Schlawiner an meiner Seite, der zeigt mir pfiffig den Weg, den ich sonst nicht so leicht finden würde, lässt mich auch mich selbst ertragen.

Und manchmal ist es dann wie ein Stoßgebet, wenn's gerade mal wieder turbulent zugeht in meinem Alltag: "Lieber Gott, du Schlawiner-Freund; ich versteh's zwar gerade nicht, für was das jetzt wieder gut sein soll. Aber du wirst es schon wissen. Darauf vertrau' ich. Und so packen wir's bestimmt auch künftig gemeinsam!"

Über den Autor Michael Kinnen

Michael Kinnen, Jahrgang 1977, studierte Theologie in Trier, Frankfurt und Mainz. Er absolvierte die studienbegleitende Journalistenausbildung an der katholischen Journalistenschule in München und ist seit 1998 für verschiedene Programme der Kirche im Radio "auf Sendung". Zum Thema "Gott in Einsdreißig - Fides et 'Radio'" promovierte er an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt zum Verkündigungsauftrag der Katholischen Kirche im Privatfunk. Berufliche Stationen führten ihn von Mainz über Berlin nach Trier. Michael Kinnen ist verheiratet und Vater einer Tochter.

Kontakt: info@radiopredigt.de