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Unser Ansehen

Wort zum Tage, 13.02.2023

Pfarrer Markus Bolowich, Nürnberg

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Es ist ein sonniger Wintertag Ende Januar. Auf dem Rückweg von ein paar Urlaubstagen mache ich noch einen Stopp an einer Klosterkirche. An diesem Spätnachmittag bin ich der einzige Besucher. Der Kirchenraum wird von der noch tiefstehenden Wintersonne an einigen Stellen besonders ausgeleuchtet – ich sehe die Strahlen, die durch die großen Fenster in den hohen Raum fallen.

Da treffen sie auf Ornamente, Figuren und Bilder, die ich an einem wolkenverhangenen Tag wohl übersehen oder nicht recht wahrgenommen hätte. An diesem Nachmittag kommen sie zur Geltung und machen in ihrer Schönheit auf sich aufmerksam.

Ob es uns Menschen nicht auch so ergeht? Gesehen, von anderen wahrgenommen zu werden, ist wichtig. Wer es schon einmal erlebt hat, übersehen zu werden, weiß, wie irritierend und verletzend das sein kann. Aus Sorge, übersehen zu werden, geben nicht wenige Menschen kontinuierlich Auskunft über ihr Da-Sein innerhalb der digitalen Welt. Es sind diese Selfies, die Anderen versichern wollen, dass es mich gibt.

Die eingenommenen Posen wollen dabei Aufmerksamkeit gewinnen, oder wohlwollende Zustimmung. Die Bitte des Menschen nach einem Anblick durch die Augen eines oder einer Anderen macht uns aus. In einem Gedicht von Hilde Domin noch aus der Zeit vor dem Smartphone heißt es: 

"Dein Ort ist / wo Augen dich ansehen. / Wo sich Augen treffen / entstehst du. /
Es gibt dich / weil Augen dich wollen, / dich ansehen und sagen / dass es dich gibt."

Der Blick des Anderen sagt mir zu: Du bist! Wie schön ist es für uns Menschen, das zu erleben. Zu erfahren, dass es da jemanden gibt, der uns in Liebe und mit Wohlwollen anschaut. Für Kinder sind solche Augenblicke unverzichtbar, aber eigentlich doch auch für uns Erwachsene. Und wie schön ist es, wenn ich es andere erfahren lassen kann: Ich sehe Dich! Ich schaue auf Dich! Du bist mir nicht egal!

Die digitalen Möglichkeiten, einander zu sehen, wachsen unaufhörlich und sind mittlerweile vielen in Beruf und Freizeit sehr vertraut. Es gibt aber eben auch dieses einander Sehen mit den Augen des Herzens. In der Bibel findet sich im Buch Numeri der Segen des Aaron:

"Der HERR segne dich und behüte dich; der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig; der HERR hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden."

Diese Gewissheit, dass Gott sein Angesicht leuchten lässt über uns, begleite uns an diesem Tag.

Über den Autor Markus Bolowich

Markus Bolowich, Jg. 1967, geboren in Frankfurt/Main, in Franken aufgewachsen, Studium der Theologie in Bamberg und Münster, lebt und arbeitet derzeit als Pfarrer in Nürnberg. Er ist Rundfunkbeauftragter des Erzbistums Bamberg. Ausbildung zum Exerzitienleiter (Ruach/DOK). Mitglied in der ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für Homiletik e.V. (AGH)

Kontakt: http://www.innenstadtkirche.de