"Herr, schenke mir bitte Geduld – am besten gleich!" Dieses augenzwinkernde Gebet könnte auch von mir stammen.
Geduld ist eigentlich nichts anderes als die Fähigkeit, zu warten. Und genau diese Tugend empfiehlt uns die Bibel bei unklaren und komplizierten Prozessen. In einem Gleichnis empfiehlt Jesus den Jüngern diese Haltung anhand des Bildes vom Guten Samen, der inmitten von Unkraut keimt und wächst.
"Sollen wir gehen und es ausreißen?" – "Nein. Sonst reißt ihr mit dem Unkraut auch das Gute mit raus. Lasst beides wachsen bis zur Ernte."
So spricht Jesus über Situationen, in denen noch unklar ist, was gut und was nicht gut ist. Ich glaube: Einen geduldigen Menschen zeichnet vor allem aus, dass er eine schwierige Zeitspanne überbrücken kann, beispielsweise hin zu einem angestrebten Ziel, ohne dabei negative Emotionen zu entwickeln. Menschen aus der Wirtschaft sagen: Geduld bedeutet, heute auf etwas verzichten zu können, um morgen mehr zu haben.
Mit der Empfehlung: "Lasst beides bis zur Ernte wachsen", möchte Jesus vermeiden, dass möglicherweise durch eine radikale und zu schnelle Entscheidung ein Fehler begangen wird.
Warum sind wir aber so ungeduldig? Ich glaube: Viele Menschen leben aus der Gewissheit, dass sie ihr Leben nur dann wirklich im Griff haben, wenn sie es aktiv gestalten. Dagegen empfinden sie die Zeit des Wartens oft als eine Phase der Passivität, der Ohnmacht. Ich finde aber: Nichts liegt weiter von der Wahrheit entfernt als diese Feststellung. Wer geduldig ist, also, wer die Fähigkeit besitzt, zu warten, der ermöglicht anderen Beteiligten, sich zu entfalten, zu agieren. Wer warten kann, schenkt sich selbst die Möglichkeit, intensiver und vielleicht aufmerksamer eine Situation oder Entwicklung zu verfolgen. Wer warten kann, lässt auch die wichtige Selbsterkenntnis zu, selbst manchmal danebenzuliegen.
Das Gute braucht immer Zeit, um zu wachsen und um sich deutlich genug von dem weniger Guten zu unterscheiden. Das bedeutet für uns, unklare Situationen auszuhalten und dabei die Möglichkeit anzuerkennen, dass sich vielleicht genau dort das Gute befindet. Oder anders gesagt: Geduldig zu sein.