"Wenn ich von der Kälte oder dem Sturm draußen in die Wärme der Wohnung komme, die angewärmten Hausschuhe anziehe, einen Tee aufbrühe, mich in eine Decke wickle (…), dann ist der Winter mein Alibi: Ich darf mich mit meinen Gedanken beschäftigen, mich erinnern an längst Vergangenes, an Zusammensein mit Menschen, die nicht mehr auf dieser Erde sind, aber das macht nichts, denn sie sind mir so vertraut, als ob sie gerade nur aus dem Zimmer ins Nachbarzimmer gingen. Im Winter leisten sie mir Gesellschaft. Hellsichtig wird mein Leben in Winter."
Diese Zeilen stammen von der Schriftstellerin Helga Schubert, aus ihrem Buch „Vom Aufstehen“. Hellsichtig wird das Leben im Winter, schreibt sie. Zu dieser Hellsichtigkeit auf das Leben lädt uns, wie ich finde, der heutige Valentinstag ein. Er ist zuallererst der Tag der Liebenden.
Der Tag an dem sie nach ihrem Lieblingsmenschen mit einem besonderen Blick schauen werden. Für viele ein Anlass, den Alltag zu unterbrechen, sich zeit füreinander und miteinander zu schenken, sich etwas zu gönnen oder mit Blumen oder einem Geschenk zu zeigen, was man hoffentlich auch mit Worten und Gesten zum Ausdruck bringt: Du bist mir einmalig wertvoll. Du sollst ewig sein.
Mit diesem liebevollen Blick, mit dieser Hellsichtigkeit, dürfen wir, finde ich, auch auf die Menschen blicken, von denen wir empfangen durften, die uns mit ihrer Liebe, ihrer Freundschaft, ihrem Wohlwollen begleiten. Dazu gehören auch die Menschen, die nicht mehr unter uns sind, aber die wir im Herzen bei uns tragen, die uns auch über ihren Tod hinaus nahe sind und vertraut, eben so, als ob sie gerade nur aus dem Zimmer gegangen sind.
Das nimmt dem Valentinstag als Tag der Verliebten nichts. Ich finde sogar, er macht ihn so erst richtig vollständig. Vom Heiligen Valentin wissen wir nur, dass er im 3. Jahrhundert in Rom lebte und dort als Priester der Kirche Paare traute, entgegen des kaiserlichen Verbots. Die Ehen dieser Paare galten der Überlieferung nach besonders gesegnet. Nachdem Valentin am 14. Februar 269 auf kaiserlichen Befehl enthauptet worden war, wurde er bald als ein Heiliger verehrt.
Wer liebt, weiß wohl darum, dass er in seinem Leben vieles anderen Menschen verdankt. Dafür dürfen wir heute, auf der Zielgeraden des Winters, hellsichtig sein: All die Namen, all die Gesichter der Menschen anschauen, die uns geliebt haben, uns angenommen haben, wie wir sind. Die uns zu einem Menschen haben wachsen lassen, der für eine oder einen anderen die große Liebe wurde.