Astronauten, die aus dem Weltall zurückkommen, haben einen krassen Perspektiv-Wechsel hinter sich. Sie haben die Erde von ganz weit weg gesehen, deshalb nennt man das den "Overview- oder Überblick-Effekt". Als der deutsche Astronaut Alexander Gerst das letzte Mal aus dem All zurückgekommen ist, da hat er gesagt: "Um zu erkennen, dass Menschen im All leben können, musste ich ein halbes Jahr hier oben verbringen. Um zu erkennen, wie schön die Erde ist, habe ich eine Minute gebraucht. Um zu erkennen, wie zerbrechlich unser kleiner blauer Planet ist, brauchte ich nur einen Augenblick."
Wenn Astronauten die Erde von der Ferne betrachten, fühlen sie sich tief mit ihr verbunden. Und die irdischen Alltagsprobleme sind auf einmal wie weggepustet.
Was gäbe ich drum, wenn meine Probleme mit einem Schlag bedeutungslos wären: der Chef, der Druck macht. Oder der Nachbar über mir, der nachts gerne die Anlage voll aufdreht. Da wünsche ich mir auch diesen großen Überblick – raus aus Raum und Zeit und viele meiner Probleme so sehen, wie sie wirklich sind – eigentlich gar nicht so groß. Aber ich bin kein Astronaut und muss meine Probleme irgendwie ohne das Weltall hinkriegen.
Psychologen kennen einen kleinen Trick, mit dem man ganz gut eine Krise bewältigen kann. Es funktioniert ähnlich wie bei den Astronauten. Raum und Zeit zumindest in Gedanken eine Weile verlassen. Ich könnte meine Krise im Geist überholen und von der anderen Seite her anschauen. Mich geistig an den Zeitpunkt beamen, an dem alles durchgestanden ist. Wo ich mit einem Lächeln zurückschauen und sagen kann: "Ach ja, das war nicht so angenehm damals, das Gespräch mit dem Chef oder das mit dem Nachbarn. Es hat einigen Mut gekostet – aber jetzt sieht es ganz anders aus." Ich kann schon wieder schmunzeln über diese Geschichte. Kurz mal raus aus Raum und Zeit und die Perspektive wechseln, das kann unheimlich hilfreich sein.
Und wenn nichts mehr hilft, dann gibt es ja noch einen, der über Raum und Zeit erhaben ist. Und auf den hoffe ich. Klar, meine Probleme löst Gott nicht auf. Aber mir hilft es schon, wenn ich weiß, dass ich nicht alles alleine tragen muss.
Im ersten Petrusbrief in der Bibel heißt es: "Beugt euch also in Demut unter die mächtige Hand Gottes (…). Werft alle eure Sorge auf ihn, denn er kümmert sich um euch!" (1 Petrus 5,6) Demütig sein hört sich etwas antiquiert an. Aber bei den Astronauten im Weltall passiert auch nichts anderes, wenn sie sehen, wie weit das Weltall und wie klein und zerbrechlich die Erde ist. Und hat man das erkannt, dann tut es gut, sich einer starken Hand anzuvertrauen.