Es sind jetzt im September noch einmal die besten Tage zum Wandern.
Aber auch zum Pilgern! Ich mache beides gern. Und ich frage mich immer schon, worin eigentlich der Unterschied besteht. Wann wandere ich, wann pilgere ich? So ganz eindeutig unterscheidet sich beides nicht voneinander, vieles haben sie gemeinsam: Wandern wie Pilgern bedeutet, einen Weg zu gehen, ein Ziel zu haben, beides ist eine Auszeit vom Alltag, kann körperliche Strapazen bedeuten, das Austesten von Grenzen. Und beide Male gehört das schöne, vielleicht sogar glückselige Gefühl dazu, am Ziel anzukommen, es geschafft zu haben.
Natürlich: Man spricht Pilgerinnen und Pilgern spirituelle Motive zu, wenn sie sich auf den Weg machen. Und gerade Wallfahrten in Gruppen zu besonderen Wallfahrtsorten werden meist geistlich gestaltet, folgen alten christlichen Traditionen und Riten.
Aber auch das Wandern kann ein sehr besonderes, spirituelles Erlebnis sein, wenn man den Gipfel erklimmt, sich ehrfürchtig am Gipfelkreuz festhält und ja, dem Himmel so nahe kommt. Und umgekehrt finden sich in den bunten Pilgerscharen so manche, die vor allem aus sportlichen Motiven unterwegs sind.
Aber es gibt dann doch einen Unterschied, und den machen für mich nicht unbedingt die Menschen aus, die hier wie da unterwegs sind, sondern diejenigen, denen sie am Wegesrand begegnen. Es passiert gar nicht so selten, auch heutzutage, dass Pilgerinnen und Pilger angesprochen werden: "Wohin des Weges?" Und nennt man das Ziel, kommt oft der Satz: "Stellt ein Kerzchen für mich auf." Das klingt lapidar, aber meist ist es doch ernst gemeint; diese Menschen am Wegesrand haben etwas auf dem Herzen, haben ein Anliegen. Und dieses Anliegen geben sie dem Pilger, der Pilgerin mit auf den Weg, mit ins Gepäck. Und es bleibt nicht nur bei diesem einen Anliegen. Freunde, Verwandte, Daheimgebliebene, ehemalige Mitpilger – von so manchen ist ein Anliegen mit unterwegs auf dem Pilgerweg.
Im früheren Sprachgebrauch steht der Begriff "Anliegen" nicht nur für ein Kleidungsstück, das eng und deutlich spürbar anliegt, sondern auch für einen körperlichen Mangel, ein Gebrechen, das im Inneren des Köpers "anliegt". Darum geht es den Menschen am Wegesrand, Ernsthaftigkeit und Sorge liegen darin. Aber ebenso die Hoffnung, dass diejenigen, denen man ein Anliegen mitgibt, dieses dann mit hineinnehmen in die große Inniglichkeit, in den großen Moment des Ankommens am Ziel.