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Wahre Liebe

Wort zum Tage, 15.03.2024

Dominik Frey, Baden-Baden

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Es gibt Momente, die möchte man am liebsten einfrieren und bei Bedarf wieder auftauen können. So ein Moment ist mir vor kurzem beim Gutenacht sagen passiert. Mein siebenjähriger Sohn Tom drückt mich ganz fest, so dass sein kleiner Körper richtig erzittert, und sagt: "Du Papa, ich hab dich so arg lieb, dass …" Ich merke wie er nach Worten ringt, und dann sprudelt es aus ihm heraus. "So lieb, dass ich fast platze!" Ach, das geht einem Papa runter wie Öl. Und bestimmt auch Mamas, Opas, Freundinnen, Partnern, Tanten und Teenagern.

Ich weiß, die Liebe ist nicht immer nur schön. Ich denke da an Liebeskummer und Eifersucht. Viele Beziehungen scheitern oder enden sogar gewalttätig. Manche Liebe wird übergestülpt oder nicht erwidert. Und es gibt auch Leute, die in ihrem Leben nur ganz wenig davon abbekommen. Das ist wirklich schlimm. Aber es schmälert nicht die Tatsache, dass Liebe in ihrer Reinform einfach etwas Wunderbares ist – für mich sogar ein Gottesbeweis.

Die aufgeklärte Wissenschaftlerin wird jetzt vielleicht einwenden: "Liebe hat gar nichts mit Gott zu tun. Sie ist eine normale körperliche Reaktion auf einen Reiz, der für die Evolution sehr wichtig war. Nur durch die Liebe haben wir uns fortgepflanzt und vermehrt und konnten unsere Spezies Mensch im Spiel der Kräfte behaupten. Rein biologisch betrachtet treffen da einfach nur die richtigen Hormone und Botenstoffe im richtigen Moment aufeinander, und schon ist der Cocktail Liebe angerichtet." Das leuchtet mir schon ein, aber wer ist der Barkeeper und überreicht uns diesen wunderbaren Drink. Und wer mixt ihn? Und woher kommen die genialen Zutaten? Deshalb eben: Ein Gottesbeweis für mich.

Ich glaube, dass mehr dahintersteckt als Evolution oder Erhaltung unserer Spezies. Zum Beispiel wenn Frau Brink ihren bettlägerigen Mann liebevoll umbettet. Wenn Nazar jeden Monat fast sein gesamtes Gehalt zu seinen Lieben nach Syrien schickt. Wenn Herr Seiler jeden Tag 6 Stunden seine Frau im Heim besucht, obwohl sie ihn gar nicht mehr erkennt. Wenn Stefan und Hatice ihren Alltag total umkrempeln, um ihr krankes Kind zu pflegen. Wenn Mira auf das Konzert ihrer Lieblingsband verzichtet, um ihrer Freundin die Tränen zu trocknen. Wenn Luke sein Konto plündert, um Sophia nach Australien nachzureisen. Oder wenn der siebenjährige Tom seinen Papa beim Gutenachtsagen ganz fest an sich drückt und sagt: "Ich hab dich so arg lieb, dass ich fast platze!"

Über den Autor Dominik Frey

Dominik Frey, geboren 1968 in Überlingen am Bodensee, ist Pastoralreferent und Rundfunkbeauftragter der Erzdiözese Freiburg beim SWR. Nach dem Studium der Theologie in Freiburg und Dublin hat er sechs Jahre in einer Musikschule als Saxofonlehrer gearbeitet. Außerdem war er Dirigent und mit Bandleader. Während der Ausbildung zum Pastoralreferenten wurde er Autor für SWR3 und hat die journalistische Ausbildung am ifp in München absolviert. Dominik Frey fährt gerne Motorrad, liebt Snowboarden und Geocaching und natürlich seine Frau und seine beiden Jungs. Er lebt in Baden-Baden.