Ivan Illich war so etwas wie ein Weltbürger. Geboren 1926 in Wien, verbringt er seine Jugend u.a. in Dalmatien und Frankreich. Die Schule nimmt er nicht so ernst. Später studiert er in Florenz zunächst Chemie und Geschichte. Nach seinem Studium der Philosophie und Theologie wird er 1951 in Rom zum Priester geweiht. Als Seelsorger arbeitet er dann fünf Jahre in Manhattan unter Puerto-Ricanern. Unter Menschen, die am Rand leben, die niemand haben will. In New York gründet Illich mit anderen an einer kirchlichen Universität ein Institut für den interkulturellen Austausch. Schließlich geht er nach Mexiko, wo er erneut so ein Institut aufbaut. Diese Arbeit verändert und prägt den kulturkritischen Mann aus Europa. So gerät er in Konflikt mit dem Vatikan. Der betreibt eine Lateinamerika-Politik, die die Armen in den Gesellschaften nicht im Blick hat. Jedenfalls nicht als gleichberechtigte Schwestern und Brüder, so wie Illich es will. Nein, die Armen sind nur Empfängerinnen und Empfänger von Spenden.
Ivan Illich ist davon überzeugt: "Christen können den biblischen Gott im Fleisch lieben!" Das ist christlicher Glaube, unabhängig von einer Institution, die den Glauben kontrollieren will. Glaube ist für Illich vor allem Tun, nicht so sehr das Für-wahr-Halten von Sätzen. Doch die mächtige Institution, die sich als Wächterin des Glaubens sieht – beharrt auf den Lehrsätzen aus alten Zeiten. Etwa wie die Mutter Jesu einst in den Himmel aufgenommen wurde.
Heute hat die Kirche ihre Macht verloren. Trotzdem tragen Menschen den Glauben ins Morgen: Durch ihr Zeugnis, nicht abstrakt und abgehoben. Nein, sie handeln, wo andere mit dem Kopf schütteln. Die Welt ist der Ort, an dem Menschen Gott begegnen können – im Mitmenschen. Es geht also nicht darum, Hilfe möglichst an Profis zu delegieren und damit effizient zu planen, es geht darum, durch das eigene Tun das eigene Herz zu formen. Entscheidend wird es sein, Menschen zu Nächsten zu machen, mit ihnen zu leben. Und diese Gemeinschaft gleichberechtigt neben das ich zu stellen, das sich so gern in den Vordergrund drängt. Warum kann es nicht so sein, wie in der berühmten biblischen Erzählung vom barmherzigen Samariter?
Ein Mann sah einen Verwundeten am Wegrand liegen. Doch obwohl es sich dabei um einen Fremden handelt, packt der Reisende an und versorgt zunächst den Verletzten, indem er ihn in einem Wirtshaus unterbringt. Kein Gesetz schreibt ihm so ein Handeln vor. Doch als Mensch lässt er sich berühren von der Not. Und weil es in seiner Macht steht, etwas dagegen zu tun, handelt er! Das ist bis heute ein unvergessenes Beispiel.
Es ist von außen betrachtet keine große Tat, doch für den Verletzten bedeutet es seine Rettung. Und der Reisende hat mit seinem Handeln sein Herz geformt.
Mehr dazu in: "Kirche ohne Macht – Beiträge zur Feier des Wandels", Ivan Illich, Aschendorff-Verlag