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Letzte Worte

Wort zum Tage, 16.03.2024

Dominik Frey, Baden-Baden

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Eine Homepage hat mich ganz schön aufgerüttelt. Mir war schon immer klar, dass die Todesstrafe unmenschlich ist. Aber seit ich diese Website besucht habe, haben all die Hingerichteten ein Gesicht und eine Stimme bekommen. Und die sagen ganz deutlich: Die Todesstrafe gehört abgeschafft.

Es ist die Homepage der Gefängnisverwaltung des US Staates Texas, auf der alle fast 600 bisher hingerichteten Menschen aufgelistet sind. Man kann ihre Personalien mit Bild anschauen, und die letzten Worte, die sie gesagt haben. Manche grüßen ihre Liebsten, einige beteuern ihre Unschuld, andere bitten um Vergebung, und viele beten auch.

Es gab mal Zeiten, da wurden Witze über "famous last words", also "berühmte letzte Worte", gemacht – nicht zuletzt weil ein Album der Band Supertramp so hieß. Aber bei der Auflistung der texanischen Gefängnisverwaltung bleiben einem die Witze im Halse stecken. Weil diese Worte mich berühren, weil sie echt sind, und weil sie mir das Drama um die Todesstrafe noch einmal bewusst machen.

Der 53-jährige David Renteria wurde letztes Jahr im November getötet. Er schreibt: "Ich bin ein Mann mit vielen Fehlern. Für diejenigen, die ich verletzt habe bitte ich um Vergebung. Für diejenigen, die mir Böses wollen, ich vergebe euch wirklich. Ich habe Vergebung gelernt. Ich habe gelernt, andere mit Liebe zu betrachten, egal wer sie sind. Ich bete, dass die Botschaft des Herrn eines Tages gehört wird, denn die Welt leidet. Ich weiß, dass es mir gut gehen wird."

Auffallend oft ist in den letzten Worten von Gott die Rede. Meist bereuen die Inhaftierten ihre Taten und vergeben denjenigen, die gegen sie waren. Viele von ihnen glauben an ein ewiges Leben. Eine andere Todeskandidatin, Kimberly McCarthy, hat vor ihrer Hinrichtung gesagt: "Das ist für mich kein Verlust, das ist ein Gewinn. Ich gehe jetzt nach Hause zu Jesus." Wohl denen, die so einen starken Glauben haben, für die Sterben so etwas ist wie nach Hause gehen. Dieser Gedanke kann bestimmt helfen und trösten. Aber er darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Todesstrafe aus meiner Sicht furchtbar und unerträglich ist. Nicht nur, weil es passieren könnte, dass es Unschuldige trifft. Nicht nur, weil die Methoden grausam sind und neues Leid hervorrufen. Sondern weil ich als Christ zutiefst davon überzeugt bin, dass alles Leben von Gott kommt und wertvoll ist.


siehe Homepage der Gefängnisverwaltung des US Staates Texas: https://www.tdcj.texas.gov/death_row/dr_executed_offenders.html

Über den Autor Dominik Frey

Dominik Frey, geboren 1968 in Überlingen am Bodensee, ist Pastoralreferent und Rundfunkbeauftragter der Erzdiözese Freiburg beim SWR. Nach dem Studium der Theologie in Freiburg und Dublin hat er sechs Jahre in einer Musikschule als Saxofonlehrer gearbeitet. Außerdem war er Dirigent und mit Bandleader. Während der Ausbildung zum Pastoralreferenten wurde er Autor für SWR3 und hat die journalistische Ausbildung am ifp in München absolviert. Dominik Frey fährt gerne Motorrad, liebt Snowboarden und Geocaching und natürlich seine Frau und seine beiden Jungs. Er lebt in Baden-Baden.