In unserer Familie da bin ich sozusagen der Friedhofsgärtner. Ich kümmere mich um das Grab meiner Schwiegereltern und zwei ihrer Kinder, die früh verstarben. Sie alle liegen in einem Grab, in vier kleinen Steinen sind ihre Namen eingraviert. Meine Schwiegermutter war Gärtnerin, von ihr habe ich einen Großteil meiner Liebe zum Gärtnern geerbt. Und als sie starb, wollte ich ihr Grab ganz in ihrem Sinne gestalten, möglichst naturnah und es sollte immer etwas blühen, aber ohne dass ich ständig frische Blumen einpflanze.
Über die Jahre ist mir dies auch ganz gut gelungen und die Pflege hält sich sogar in Grenzen. Zuletzt habe ich vor drei Jahren den Ableger einer Rose auf das Grab gepflanzt. Selbst gezogen hatte ich die Rose; vom Wegrand nahe meiner alten Arbeitsstätte hatte ich mir einen Steckling abgeschnitten, der tatsächlich Wurzeln bildete. Eine schlichte Strauchrose, aber mehrmals blühend in weiß-roten Farben.
Als ich in diesem Sommer, am Ende einer der heißen Wochen voll flirrender Hitze und Trockenheit, zum Grab hin fahre, um die Pflanzen zu gießen, bietet sich mir ein wundersames Bild: Die Rose hat prächtig getrieben, blüht noch und nur wenige Blätter und Zweige sind von der Hitze verdorrt. Vor allem aber: Sie ist nicht nur in die Höhe gewachsen, sondern sie hat sich – ja, sich hat vornübergebeugt, so als wolle sie die kleinen Pflanzen unter ihr vor der Hitze schützen. Und tatsächlich wirken die Bodendecker und niedrigen Stauden unter der Rose frisch und grün.
So passt es, denke ich. Die Rose hat auf ihre Art die Grabpflege übernommen. Und sie beugt sich dabei nicht nur über die Pflanzen, sondern auch über die kleinen Grabsteine der Schwiegereltern und ihrer Kinder.
Sich über jemand beugen, um ihm Schatten zu spenden, um Schutz zu bieten – dieses Bild hier auf dem Friedhof erscheint mir zutiefst symbolisch. Diese Art von Hinunterbeugen kennen wir von Müttern und Vätern, die ihrem Kind aufhelfen, wenn es gefallen ist, von Sanitätern und Feuerwehrleuten, die Verletzte bergen, von Pflegenden, die sich zu Kranken vorbeugen. Immer geht es dabei um Schutz, um Sorge, um Unterstützung. Und auch wenn wir in einem Gespräch sind, ob in der Kneipe oder daheim, dann beugen wie uns intuitiv vor, um besser zu hören, um besser zu verstehen, um uns zuzuwenden und um achtsam zu sein. Und ist die Resonanz darauf dann oft nicht so frisch und grün wie von den Bodendeckern unter der Rose?