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Gemütlichkeit

Wort zum Tage, 17.02.2023

Pfarrer Markus Bolowich, Nürnberg

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"Dann wünsche ich Ihnen ein gemütliches Wochenende!", verabschiedet mich meine Friseurin nach dem Haareschneiden vor ein paar Tagen. Ich schaue etwas verdutzt – ein gemütliches Wochenende. Das hat mir, glaube ich, noch nie jemand gewünscht. Ok, ein schönes oder ein erholsames Wochenende, das kenne ich, aber gemütlich? "Ja, danke, ihnen auch! Bis zum nächsten Mal", verabschiede ich mich.

Frisch frisiert begleitet mich das gemütlich durch den Vormittag. Je länger ich darüber nachdenke und es mir manchmal vorsage, desto sympathischer fühlt sich es an. Ja, "gemütlich" ist ein Wort, das angenehme Erinnerungen wachruft: Z.B. an mein Sofa zuhause, an ein paar freie Tage hin und wieder ohne Termin, Telefon oder PC, an die Einkehr nach einer Wanderung an einem Tisch mit Freunden. Und klar: An Balu erinnert es mich, den Bär aus dem Dschungelbuch: Probier‘s mal mit Gemütlichkeit!

Dann aber wird es mir schon schnell wieder bewusst, wie ungemütlich es ist in diesen Tagen eigentlich ist. In einer Woche jährt sich der Beginn des Krieges in der Ukraine. Die Sorgen, die unsere Gesellschaft im Moment vielfach erfährt und die bedrückenden globalen Themen, die schlagen sich einem aufs Gemüt. Gemütlichkeit heißt nicht, diese Wirklichkeiten auszublenden. Sonst kippt das ganze in eine behagliche Wohlfühligkeit, die dann eher einem Desinteresse am Los und Leiden der Anderen, der Opfer gleichkommt.

Im Wort Gemütlichkeit steckt das Wort Gemüt. Beim deutschen Mystiker Johannes Tauler, der vor 700 Jahren lebte, finde ich eine Spur, was Gemütlichkeit darum im positiven Sinne bedeuten kann. Bei ihm heißt es:
"Das Gemüt ist eine herrliche Sache. Im Gemüt sind alle Kräfte vereint. Wenn es mit dem Gemüt recht steht, so steht es mit allem anderen recht. Im Grunde, auf dem Boden des Gemütes, liegt das Bild Gottes im Menschen verborgen."

Johannes Tauler meint also, im Gemüt des Menschen liegt auch das Gespür für Gott. Ich finde diese Beschreibung passend. Mag sich über dieses Bild Gottes im Menschen auch manches ablagern im Laufe eines Lebens, an Kränkung, Enttäuschungen und Sorgen, so trägt doch jeder und jede von uns dieses Bild in sich!

Von daher heißt: es sich gemütlich machen, sich an dieses Bild Gottes in uns zu erinnern, das uns zu eigen ist. Das Bild Gottes verwahrt jeder Mensch auf dem Boden seines Gemüts. Diesen Gedanken empfinde ich als sehr ermutigend.  
In diesem Sinne uns allen ein hoffentlich gemütliches Wochenende!

Über den Autor Markus Bolowich

Markus Bolowich, Jg. 1967, geboren in Frankfurt/Main, in Franken aufgewachsen, Studium der Theologie in Bamberg und Münster, lebt und arbeitet derzeit als Pfarrer in Nürnberg. Er ist Rundfunkbeauftragter des Erzbistums Bamberg. Ausbildung zum Exerzitienleiter (Ruach/DOK). Mitglied in der ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für Homiletik e.V. (AGH)

Kontakt: http://www.innenstadtkirche.de