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Wort zum Tage, 17.03.2023

Christopher Hoffmann, Neuwied

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Ich bin in Kiel und muss unbedingt noch den Zug ins Rheinland bekommen. Da vorne, ein Taxi! Der Fahrer begrüßt mich mit "Moin!", als ich mich auf der Rückbank in den Ledersessel fallen lasse. "Moin!", sag ich zurück, während draußen Möwen über die Hafenlandschaft fliegen. Als wir an einer Ampel warten, schaut mich der Taxifahrer durch den Rückspiegel an. "Wo kommst du her?", fragt er mich. "Aus Koblenz", sage ich. Er bohrt nach: "Nein, ich meine, wo kommst du wirklich her?" "Gebürtig aus dem Hunsrück in Rheinland-Pfalz", antworte ich.

"Bist du Deutscher?", fragt er noch einmal. Ich bin verdutzt. "Ja." "Ich meine wegen deiner Haare." Jetzt weiß ich, warum er fragt. Meine Haare und meine Augen sind richtig dunkel, fast schwarz. Im Sommerurlaub war ich immer stolz, wenn ich im Baskenland in einer Tapasbar als Spanier durchgegangen bin. Aber jetzt im Taxi durch das bohrende Nachfragen des Taxifahrers fand ich es irgendwie auch befremdlich.

Ich konnte zum ersten Mal ansatzweise verstehen, was mir Menschen mit Migrationshintergrund schon so oft gesagt haben: Dass sie diese Frage nicht mehr hören können. "Woher kommst du wirklich?" Weil sie zum Beispiel Amanda, einer Freundin, die mit schwarzer Haut in Mainz geboren wurde und deren Eltern aus dem Kongo kommen, immer wieder deutlich macht: Eigentlich gehörst du doch gar nicht dazu. Oder meinem Schüler Tuan mit vietnamesischen Vorfahren, der im Alltag immer wieder dafür gelobt wird, wie gut er deutsch spricht: Obwohl er doch an der Mosel geboren und aufgewachsen ist.

Die Bestseller-Autorin Florence Brokoswki-Shekete hat kürzlich ein Buch geschrieben. Es heißt "Raus aus den Schubladen!: Meine Gespräche mit Schwarzen Deutschen". [1] Darin spricht sie mit vielen Menschen, die in ihren Berufen noch immer anders behandelt werden, weil sie nicht weiß sind. Zum Beispiel Isaac. Er arbeitet im Fachamt für Grundsicherung, Sachgebiet Wohngeld. Doch immer wieder meinen Kunden, die zu Isaac kommen, dass er doch nur ein weiterer Antragsteller sein kann, nicht aber der, der über den Antrag verfügt. Und das 2023.

Noch immer gibt es zu viele Schubladen, die geöffnet und entstaubt werden müssen – denn Schubladen halten Menschen gefangen, engen ein, schließen aus. Verletzen. Nach meinem Erlebnis im Taxi will ich noch mehr versuchen, Menschen das Gefühl zu geben, dass sie natürlich dazugehören – zu unserer längst bunten und vielfältigen Gesellschaft. Denn als gläubiger Mensch bin ich ohnehin überzeugt: Vor Gott zählen weder Hautfarbe noch Nation. Und so bunt, wie er diese Welt geschaffen hat, hat Gott sie auch gewollt.


[1] Florence Brokowski-Shekete: Raus aus den Schubladen! Meine Gespräche mit Schwarzen Deutschen, orlanda, Berlin 2022.

Über den Autor Christopher Hoffmann

Christopher Hoffmann, geboren 1985 im Hunsrück, ist Pastoralreferent und Rundfunkbeauftragter bei der Katholischen Rundfunkarbeit am SWR.  Nach dem Studium der Theologie in Trier und Freiburg und der Seelsorgeausbildung im Rheinland ist er aktuell in der Pastoral für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene im Raum Neuwied aktiv. Seine journalistische Ausbildung absolvierte er am ifp in München. In seiner Freizeit liebt er Musik und singt seit vielen Jahren in verschiedenen Bands und Chören.

Kontakt: christopher.hoffmann@bistum-trier.de