Der Ruhestand naht und ich habe angefangen meinen Arbeitsplatz aufzuräumen. Ich will alles ordentlich und geordnet hinterlassen. Das Ziel ist klar, aber die Umsetzung macht mir schwer zu schaffen. Was hat sich da nicht alles angesammelt!
Ich halte Ordner in der Hand, die ich seit fünf Jahren nicht mehr angepackt habe – weg damit. Oder sollte ich sie doch noch mal durchblättern? Da stehen Bücher, die ich viel genutzt habe, jede Menge guter Texte, berührender Impulse. Ob sie noch jemand anderes gebrauchen kann? Da sind Mitbringsel von unzähligen Veranstaltungen, aus Gottesdiensten, von Fortbildungen. Damals, in dem Moment, in dem Setting taten sie gut und waren sie passend. Die meisten geben mir heute nichts mehr – jedenfalls nicht mehr als eine flüchtige Erinnerung. Also wegschmeißen?
Was ist noch immer wichtig oder bedeutsam für mich, was noch brauchbar für andere, was weiterhin relevant? Was möchte ich weitervererben – wird aber andere womöglich gar nicht so packen, wie es mich mal gepackt hat?
In all diesem Sortieren, Erinnern, Entscheiden und Entsorgen entdecke ich ein Blatt mit einem Zitat von Simone de Beauvoir. Ich hatte mir die Zeilen irgendwann mal irgendwo abgeschrieben – vielleicht würde ich die Sätze irgendwann mal in einer Beerdigung anbringen können. Jetzt stehe ich da, lese die Zeilen, die im Blick auf das eigene Sterben notiert wurden und stelle fest, dass es zu mir passt, zu meinem Auszug aus dem Büro, zu meinem Abschied aus dem Berufsleben:
"Manchmal ist mir der Gedanke, mich in nichts aufzulösen, abscheulich", schreibt die Pariser Schriftstellerin und Philosophin, die 1986 verstorben ist. "Voller Melancholie denke ich an all die Bücher, die ich gelesen habe, all die Orte, die ich besucht habe, an das Wissen, das sich angehäuft hat und das nicht mehr da sein wird." Sie spricht von Dingen und Bindungen, von denen nichts bleibt – davon, dass dieses einzigartige Ganze, die persönlichen Erfahrungen mit ihrer Folgerichtigkeit und ihren Zufällen nicht mehr sein wird.
Ich hätte nicht gedacht, dass mir das Loslassen so schwerfällt, dass es weh tut – dass es mir ein abscheulicher Gedanke ist.