Im ersten Moment musste ich an Loriot denken. Es war nach dem Gottesdienst zur Firmung. Dann kamen die Grußworte. Ein vornehmer, älterer Herr überbrachte die Glückwünsche der Pfarrgemeinde und überreichte jedem Firmling ein kleines Geschenk: Etwas Praktisches, wie er sagte: Ein Bürolocher, genauer: ein "Flachlocher". Daran ein kleines Lineal und darauf der Satz: "Gott bringt Ordnung in dein Leben." Hier unfreiwillig komisch Wie bei Loriot.
Der vermeintlich erhobene Zeigefinger an "die Jugend" wurde aber immer kleiner, je länger ich darüber nachdachte. Da steckt vielleicht noch mehr Symbolik dahinter, als es zunächst scheint; vielleicht zuerst die Selbsterkenntnis: Ja, wir bohren manchmal mit hohem Aufwand ziemlich dünne Bretter. Da ist so ein "Flachlocher" gerade richtig. Manches ist allzu flach und platt, auch wenn es noch so fromm daher kommt. Und dann: Ein Locher locht. Und er hinterlässt Löcher. Da fehlt dann etwas im Papier, auch wenn es noch so ordentlich aussieht. Und übertragen: Es fehlt etwas in der Gemeinde, in der Gemeinschaft, am Arbeitsplatz, wenn wir mit unseren besserwisserischen Vorstellungen von Ordnung, Regeln und Verhalten andere ausschließen. Mit Vorschriften und Grundsätzen begegnen wir oft denen, die unsere Solidarität suchen. Was manche vielleicht als Ordnung und geregelte Abläufe sehen, als ordentliche Lebensläufe ohne Brüche, das hinterlässt doch Löcher. Da fehlt jemand in der Gemeinschaft, der eigentlich dazugehört.
Vielleicht ist der Satz "Gott bringt Ordnung in dein Leben", der da auf dem Flachlocher aufgedruckt ist, ja auch eine wohlmeinende Mahnung, dass "Gottes Ordnung" so ganz anders ist als wir uns das vorstellen. Barmherzigkeit mit Herz, statt ängstlicher Enge.
Es beginnt schon mit der Geburt Jesu. Als Kind in der Krippe wird der Messias geboren. Gott wird Mensch, einer von uns. Der Höchste – ganz unten. Auch während seines Lebens erstaunt Jesus immer wieder seine Zeitgenossen, weil er die gängige Ordnung auf den Kopf stellt. Weil er manches vom Kopf auf die Füße stellt. Dass der Sabbat für den Menschen da ist – und nicht umgekehrt.
Und auch sein Tod am Kreuz und die Auferstehung von den Toten: Das klingt alles so unglaublich, schwer verständlich. Aber: Gerade durch dieses scheinbar unverständlich Paradoxe ist er der Erlöser, sagt der christliche Glaube. Er sprengt alles menschliche Verstehen und alle Begrenztheit und weitet den Horizont mit seiner anderen Ordnung. Ein dickes Brett. Und doch geradezu himmlisch-humorvoll. Auch daran erinnert mich dieser "Flachlocher".