Ich erinnere mich noch genau: Es war auf der Ersti-Party an der Uni Trier – alle die in ihrem ersten Semester mit dem Studium anfingen, waren dazu eingeladen. Während die Bässe wummerten, fragte mich einer aus unserer Gruppe: "Was studierst du denn?" Ich darauf: "Katholische Theologie." Den darauffolgenden Blick vergesse ich nicht mehr: Ich glaube einen arroganteren Augenaufschlag habe ich noch nie gesehen. Und dazu sagte der Typ: "Du hast aber schon mal was von der Evolutionstheorie gehört, oder?"
Wie panne war das denn, denk ich mir bis heute. Denn Gott sei Dank erlebe ich die Gespräche seit dem immer wieder als total spannend, wenn ich erwähne, was ich studiert hab. Theologie. Die Lehre von Gott. Und ich glaube sowohl meine Gesprächspartner als auch ich kennen die Evolutionstheorie und halten sie dazu auch noch für sehr wahrscheinlich. Wo ist auch das Problem? Die Bibel ist kein naturwissenschaftliches Buch – es geht eben nicht darum, ob Gott nun an Tag 4 die Sterne und an Tag 5 die Tiere geschaffen hat. Sondern die Schöpfungserzählungen der Bibel wollen Antwort geben auf die Frage: Warum existiert überhaupt etwas?
Ich kann gleichzeitig an Gott, meinen Schöpfer, glauben ohne die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse wie die Evolutionstheorie deshalb abzulehnen. Beides hat seine Berechtigung, weil die Fragen andere sind. Einmal geht’s ums WIE. Damit beschäftigt sich die Evolutionstheorie. Und dann geht’s ums WARUM. Das fragt der glaubende Mensch. Harald Lesch stellt sich beide Fragen. Er ist Professor für Theoretische Astrophysik.
n seinem Buch "Was hat das Universum mit mir zu tun?" schreibt er: "Die Werkzeuge für die Bewältigung der Probleme des Lebens liefert die Wissenschaft, für Orientierung aber sorgen Literatur, Musik, Kunst, Philosophie und Religion. Einen Außerirdischen würde ich nie danach fragen, welche Naturgesetze auf seinem Planeten gelten. Es sind dieselben wie bei uns. […] Aber ich würde gern von ihm wissen, welche Musik er hört, welche Bilder auf seinem Planeten gemalt werden, […] und an was er glaubt."[1]
Sein Kollege, der Astrophysiker Heino Falcke, der als erster ein schwarzes Loch fotografiert hat, ist ebenfalls eine Koryphäe der Naturwissenschaft und gläubiger Christ. Er schreibt in seinem Buch "Licht im Dunkeln": "Wer behauptet, Gott sei überflüssig, weil die moderne Physik bereits alle Fragen beantwortet habe, [...] macht es sich zu einfach. Im Gegenteil sage ich: Gott ist heute nötiger denn je. Der großen philosophischen Frage, woher wir kommen, ist die Naturwissenschaft letztlich keinen einzigen Schritt näher gekommen. […] Dieses Suchen nach Gott bleibt […] hochaktuell und wichtig."[2]
[1] aus: Harald Lesch:Was hat das Universum mit mir zu tun? Nachrichten vom Rande der erkennbaren Welt, C.Bertelsmann, München 2019, S. 201.
[2] Heino Falcke mit Jörg Römer: Licht im Dunkeln. Schwarze Löcher, das Universum und wir. Die illustrierte Ausgabe, Klett-Cotta, Stuttgart 2021, S.413f.; 417f.