Es ist ein berühmtes Gemälde aus dem Jahr 1881 – und doch von bedrückender Aktualität: Das Bild zeigt die riskante Flucht des republikanischen Publizisten Henri Rochefort, wie Edouard Manet sie gemalt hat: die grünblaue See des Südpazifiks dominiert das Gemälde; sie wirkt unruhig mit weiß schäumenden Wellen; die Barke mit Rochefort darin wirkt klein und verloren. Der Franzose war als regierungskritischer Journalist und Politiker zuvor mehrfach verfolgt und eingesperrt worden. Zuletzt floh er verkleidet aus Paris, wurde abgefangen und deportiert und floh erneut.
Das Gemälde Manets wurde im Salon de Paris, dem Mittelpunkt des französischen Kunstbetriebes, damals nicht ausgestellt. Auch Rochefort selbst wollte das Bild nicht haben. Die Kunsthistorikerin Kia Vahland glaubt den Grund zu kennen. Sie sagt: "Das Meer ist schön, die Angst aber ist es nicht."
Kia Vahland hat ein kleines Buch herausgegeben mit Werken alter Meister. Es trägt den Titel "Ansichtssachen". Die Bilder stammen aus längst vergangenen Zeiten, behandeln aber Fragen, die auch heute noch aktuell sind. Kia Vahland stellt in ihrem Buch zu dem Werk Manets, das die Flucht Rocheforts zeigt, ein Wort der in Hannover geborenen Philosophin Hannah Arendt. Sie durchlitt als Jüdin Flucht und Entrechtung durch die Nationalsozialisten. Von ihr stammt das Wort: Flucht bedeute "den vollständigen Zusammenbruch unserer privaten Welt".
Unweigerlich denkt man da an die Ängste und die Verlorenheit der Flüchtlinge, die sich heute in ihren seeuntüchtigen Booten aufmachen, das Mittelmeer zu überqueren, weil sie ein besseres Leben suchen. Tausende finden dabei den Tod.
Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße hat vor wenigen Wochen den Umgang mit geflüchteten Menschen in Deutschland und Europa heftig kritisiert. Die europäischen Reformpläne für das Asylsystem lösten keine Probleme, sondern schafften neue humanitäre Härten. Die Unterbringung in großen Lagern unter haftähnlichen Bedingungen und Asyl-Schnellverfahren an den Außengrenzen seien vor allem für vulnerable Gruppen unzumutbar, ja besorgniserregend. Heße forderte den Mut, für eine Flüchtlingspolitik einzutreten, deren Maßstab die Menschenrechte seien. Mit Blick auf die schweren Bootsunglücke im Mittelmeer sagte Heße: Abschreckung dürfe nicht den Vorrang vor Humanität haben. Eine wirksame Seenotrettung und legale Zugangswege nach Europa seien notwendig.
Der französische Schriftsteller Victor Hugo wurde wie Henri Rochefort aus Frankreich verbannt, lebte viele Jahre im Exil. Von Hugo stammt das Wort: "Das Asylrecht ist ein Recht der Unglücklichen."