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Rollenwechsel

Wort zum Tage, 18.12.2024

Maria-Anna Immerz, Dillingen

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Man sieht ihr das Vergnügen an. Eine Frau trägt bei einer Adventfeier spontan eine Weihnachtsgeschichte vor. Sie steht am Mikrofon und liest; mit dieser wunderbaren Mischung aus Ernst und Schalk in den Augen: Die Geschichte vom Krippenkind, das aus der Kirche verschwand. Christkind geklaut – alle sind alarmiert. Schließlich löst sich das Geheimnis: Ein Kind, das sich vom Christkind sehnlichst einen Tretroller gewünscht hatte, hat kurzerhand das Kind aus der Krippe geholt und mit ihm ein paar Runden durchs Stadtviertel gedreht. Weil das Jesuskind doch auch Freude am Rollerfahren hat. Und ein Danke verdient hat.

So gehen viele Weihnachtsgeschichten. Oft ein Kind oder jemand, der eher am Rand steht – tut Unerwartetes. Und genau das Unerwartete ist oft das, was eigentlich normal wäre. Gut sein zu anderen, Vorurteile und üble Konventionen einfach mal aufbrechen, an die man sonst niemals rührt. So wie in der Geschichte, wo sich im Krippenspiel alle vor der undankbaren Rolle des hartherzigen Wirts in der Herberge in Betlehem drücken. Bis man es einem kleinen Jungen aufträgt. Und der heißt dann – weg vom Drehbuch – Maria und Josef richtig herzlich willkommen. Zum Vergnügen der Zuschauer.

Rollenänderungen, um durchzuspielen, was eigentlich gut tut im Miteinander. Das hat viel mit Weihnachten zu tun. Gott hat ja selber die Rolle durchbrochen, auf die Menschen ihn gerne festnageln: der ferne Unberührbare, der Übermächtige, der unangenehme Kontrolleur. Er wurde ein Mensch, Jesus, geboren in Betlehem als Baby, um die Menschen an ihrer schwachen Stelle zu erreichen, im Herz. Gott hat eine neue Rolle angenommen, damit wir gut leben können in dieser Welt. War das nur ein Rollenwechsel?

So fragten Theologen schon ganz früh. Dann könnte Gott ja diese Rolle wieder ablegen, wie Schauspieler nach gelungener Aufführung. Lange hat die Kirche um diese Frage gerungen. Und dann eine wichtige Entscheidung getroffen: Das Bild von Gottes Rollenwechsel ist zwar eingängig, aber trägt noch nicht weit genug. Denn eigentlich ist es so: Als Gott Mensch wurde, um ganz an der Seite der Menschen zu sein, da hat er sich ganz und gar selbst gespielt. Weil Liebe zur Schöpfung und zum Menschen für ihn das Allerhöchste ist! Und darum hat er wahrscheinlich seine helle Freude, wenn in Weihnachtsgeschichten Kinder aus der Rolle fallen und einfach menschlich sind!

Über die Autorin Maria-Anna Immerz

Maria-Anna Immerz, geboren 1959, studierte Philosophie und Theologie in München und in Freiburg im Breisgau. Seit 1985 ist sie Pastoralreferentin im Bistum Augsburg und somit aktiv in verschiedenen Tätigkeitsbereichen auf gemeindlicher und diözesaner Ebene. Frau Immerz ist diözesane Beauftragte und geistliche Beraterin für den Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) Augsburg sowie für den Fachbereich Schwangerenberatung. Seit 2011 ist Frau Immerz Diözesanbeauftragte für den öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk und seit 01.09.2013 Theologische Referentin im Generalvikariat. Frau Immerz lebt in Augsburg.

Kontakt: maria-anna.immerz@bistum-augsburg.de