Eisbaden ist groß in Mode. Zumindest begegnet mir das Wort sehr oft. Es ist ein Trend, der mit der derzeitigen Gesundheits- und vor allem Fitnessbewegung zusammenhängt und spielt auch in den Bereich des Extremsports mit rein. Es gibt da verschiedene Ikonen, die kurzärmlich durch den Schnee rennen, das Eis in irgendwelchen Seen aufschlagen und sich hineinlegen. Helden der Kälte, könnte man sagen, denen viele Leute nacheifern.
Von denen haben einige auch einen kleinen Pool oder besser ein Eisbadefass hinter ihrem Haus oder auf dem Balkon, in das sie sich bei Minusgraden ins kalte Wasser setzen. Dass das bis zu einem gewissen Grad gesund ist, kann ich mir vorstellen. Es regt die Abwehrkräfte an, fördert die Durchblutung, härtet ab. Alles wunderbar. Vor kurzem bin ich mit einem passionierten Eisbader in einer kleinen Runde ins Gespräch gekommen. Er wohnt in einer Großstadt in einem Mehrparteienhaus, hat er erzählt, und hat so ein Eisbadefass auf dem Balkon. Im Winter steigt er wohl jeden Tag in das Fass. Manchmal muss er die morgendliche dünne Eisschicht aufbrechen. Er bleibt dann bis zu drei Minuten da drin sitzen, ehe er wieder herauskommt. Und mittlerweile ist er geradezu süchtig danach. Denn wenn er aus dem Fass steigt, ist er glücklich. Alle seine Sinne sind hellwach, er ist, betonte er, ganz bei sich, bei seinen Urkräften. Er hat dann eine ganz tiefe Verbindung zwischen sich selbst und seinem Körper. Er ist dann ganz in seiner ureigentlichen Natur. Ich fand das sehr beeindruckend. Ich habe einen Hang zu extremen Sachen und es interessiert mich sehr. Allerdings bin ich beim Wasser eher das, was man einen Warmduscher nennt.
Deshalb kann ich mir das für mich nicht vorstellen. Einer aus unserer Runde fragte ihn dann, wie er denn seine Wohnung heize. Es stellte sich heraus, dass er eine Zentralheizung hat. Das dachte ich mir, sagte der, der den Eisbader angesprochen hatte. Er meinte: "Ich denke, diese Eisbaderei ist so eine Wohlstandserscheinung. Die extreme Kälte kann man nur genießen, wenn man eine Zentralheizung hat."
Wir alle mussten über diese pointierte Feststellung lachen. Auch der Eisbader. Obwohl sie auf ein ernstes und trauriges Thema hinweist. Wer immer friert, braucht und will kein Eisfass. Wer Hunger hat, denkt nicht ans Fasten. Es ist wohl so, dass vieles von all den – man könnte sagen – extravaganten Dingen, die wir tun, nicht unbedingt zeigen wir hart oder stark wir sind. Sondern wie reich wir sind.