"Gott, du bist mein Gott." Dieser Satz ist einfach phantastisch! Gott, du bist mein Gott!
Ich kann Gott im Gebet ansprechen, ganz direkt, und ihm sagen, dass er mein Gott ist. Du bist mein Gott. Nicht irgendein anderer. Und da dran gibt es auch nichts zu rütteln, du bist es. Heute, morgen, immer. Sicher, Gott ist auch der Gott anderer Leute, aller Menschen, aber eben auch mein Gott, ganz persönlich. Ich bin ihm nicht egal, er schaut auf mich. Und ich hoffentlich auf ihn.
Denn diese tiefe innere Erkenntnis des Glaubens kann ich erst haben, wenn ich auf ihn, meinen Gott schaue, wenn ich ihm gegenüber wachsam bin. Erst dann kann ich sagen, ja, du bist mein Gott. Gleichzeitig wird dieses Wissen um ihn, der mein Gott ist, meine Aufmerksamkeit hervorrufen. Das ist wechselseitig. Ich schaue auf Gott, und er befähigt mich immer wieder neu dazu, auf ihn zu schauen.
"Gott, du bist mein Gott" – Diese Worte sind der Anfang von Psalm 63. In der deutschen Übersetzung heißt es weiter: Dich suche ich. Das ist, wie ich finde, etwas verkürzt. Denn hier fehlt ein wichtiges Wort: "Licht"! Wir Zisterzienserinnen beten diesen Psalm am Sonntagmorgen zur Laudes, und zwar auf Latein. Deus, Deus meus es tu. Ad te de luce vigilo. Zugegeben, das lässt sich nicht so leicht übersetzen. Jedes Wort hat eine Bedeutung. Ad te – zu dir, de luce – aus dem Licht, vigilo – wache ich. Man könnte vielleicht sagen "zu dir hin wache ich am Morgen". Denn nicht umsonst ist dieser Psalm ein Laudes-Psalm, der am Morgen gebetet wird, bei Sonnenaufgang. Der Mensch wird wach und richtet sich auf zum Gebet. Die Seele richtet sich auf und wendet sich an Gott, voller Freude über diesen Gott, der mein Gott ist, der mein Licht ist.
Der Kirchenvater Augustinus weist in seinem Kommentar zu diesem Psalm auf zwei unterschiedliche Arten von Schlaf hin: den Schlaf des Körpers und den Schlaf der Seele. Der Schlaf des Körpers ist gut; er dient der Erholung und Erfrischung.
Aber der Schlaf der Seele ist schlecht. Denn er bedeutet, dass sie Gott vergisst. Wenn die Seele schläft, ist es dunkel, denn die Seele ist die Verbindung des Menschen mit dem Licht Gottes. Die Seele hält unentwegt Ausschau nach Gott, sie sucht ihn, sie wacht, sie strebt zu Gott hin. Und Gott erleuchtet die Seele und macht sie wachend und ohne sein Licht schlummert sie.
Deshalb finde ich es so schade, dass in der deutschen Übersetzung dieses "Licht" verloren geht. "De Luce" – aus dem Licht zum Licht. Früh am Morgen. Zu den Laudes, zum Lob Gottes.