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Heute ein König

Wort zum Tage, 19.07.2023

Johanna Vering, Langenberg (Westfalen)

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Ralf Knoblauch geht jeden Morgen vor der Arbeit eine Stunde in seinen Keller. Dort nimmt er sich einen Holzblock und beginnt zu schnitzen: und zwar Königinnen und Könige. Alle haben was gemeinsam, trotzdem ist jede Figur einzigartig. Alle sind mit schwarz-weißen Gewändern bemalt. Alle haben irgendwo bei sich eine Krone: mal auf dem Kopf, mal in der Hand, mal neben sich auf dem Boden.

Alle Figuren lächeln und haben die Augen geschlossen. Einige sind eindeutig als Königin oder als König zu erkennen, andere nur vage. Die kleinen Kunstwerke sitzen, stehen, hocken, liegen, wirken verträumt, gespannt oder zuversichtlich. Viele Figuren wirken irgendwie gleich, wahrscheinlich wegen der Kleidung, und trotzdem total verschieden. Es ist bunt, obwohl die Farben gleich gehalten sind.

Das erste Exemplar hat Ralf Knoblauch im Urlaub geschnitzt. Er ist am Strand spazieren gegangen und dabei ist ihm ein Holzblock in die Finger gekommen. Der hat ihn gleich fasziniert, und es war klar: das ist es, das ist meins. Seitdem hat er unzählige Königinnen und Könige aus dem Block gehauen. Immer in der einen Stunde morgens vor der Arbeit. Das ist seine Zeit.

Für Ralf Knoblauch geht es bei seinem Handwerk um die Menschen und ihre Würde. Er arbeitet in einem sozialen Brennpunkt und erlebt dort täglich, wie die Würde viel zu oft mit Füßen getreten wird. Umso klarer ist für ihn: jede Person hat Würde und an der gibt es nichts zu rütteln. Darum sagt Knoblauch: Jeder Mensch ist ein König, eine Königin. Alle Menschen gehören zusammen, weil sie Menschen sind. Das verbindet sie automatisch. Aber jede Person ist besonders, hat was, kann was, was einzigartig ist. Das darf nicht unter den Tisch fallen. Und genau das soll sichtbar sein. 

Inzwischen hat sich daraus ein Projekt entwickelt. Viele Menschen oder Gruppierungen nehmen die Figuren mit auf Reisen, zu Tagungen, zu Demos oder z.B. auch zur vergangenen Fußballweltmeisterschaft nach Katar. Da werden sie dann ausgestellt oder besonders in Szene gesetzt. Gerade an Orten, an denen es große Unterschiede zwischen Menschen gibt, weisen sie darauf hin, dass jeder Mensch gut und richtig ist und Würde hat. Es geht nicht darum, wie jemand aussieht, was sie glaubt, wen er liebt oder welche Hautfarbe sie hat.

Einen Aspekt finde ich besonders interessant: Alle Königsfiguren haben die Augen geschlossen und lächeln. Es sieht irgendwie verträumt aus. Aber: mit geschlossenen Augen sind wir angreifbar, verletzlich, auf andere angewiesen. Für Ralf Knoblauch ist klar: "Bei uns Menschen funktioniert es nur gemeinsam. Und: Meine Figuren wollen nicht noch weiter runterziehen. Wenn man auf so eine Holzfigur trifft, geht man lächelnd aus dieser Begegnung hervor."

Überall da, wo die Figuren auftauchen, verkörpern sie die Botschaft: Jeder Mensch ist  Geschöpf Gottes und genau richtig. Darum ist jeder Mensch ein König, eine Königin. Behandelt sie auch so.

Über die Autorin Johanna Vering

Johanna Vering, geboren 1982 in Ostwestfalen, ist Pastoralreferentin und arbeitet als Beauftragte für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Bistum Münster. Nach dem Studium der Theologie in Freiburg und Graz und der Ausbildung zur Pastoralreferentin hat sie in der Erzdiözese Freiburg u.a. bei der Rundfunkarbeit am SWR gearbeitet und die journalistische Ausbildung am ifp in München absolviert. Nach fast 20 Jahren ging es zurück in die Heimat nach Westfalen und dort lebt Johanna Vering in Langenberg (Westf.). Sie ist verheiratet und hat drei Kinder.