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Der Bettler und ich

Wort zum Tage, 20.06.2025

Ruth Schneeberger, Friesenheim

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Ich bin in der Innenstadt unterwegs und sehe an der Ecke wieder diesen einen Obdachlosen sitzen. Er sitzt da meistens mit seinem Kaffeebecher. Und fünfzig Meter weiter sitzt immer die ältere Frau mit den beiden Hunden. Auch sie bettelt.

Die beiden sind mir irgendwie vertraut, aber trotzdem: Immer, wenn ich an ihnen vorbeikomme, fange ich wieder neu an zu überlegen: Soll ich etwas geben? Fünfzig Cent oder ein, zwei Euro? Eigentlich könnte es ja auch mal mehr sein. Aber wer weiß, was mit dem Geld passiert. So beginnt es jedes Mal in meinem Kopf zu rattern. Letzten Endes entscheide ich dann spontan, ob ich was gebe oder vorbeigehe, wegschaue oder die Straßenseite wechsle.

Jetzt habe ich im Netz genau dazu ein paar kluge Hinweise gefunden. Sie kommen von Leuten, die sich professionell in der Obdachlosenhilfe engagieren, und haben mir wirklich geholfen. Die Landesarmutskonferenz aus Baden-Württemberg gibt zum Beispiel "Dreizehn Tipps für den Umgang mit bettelnden Menschen". Und die Caritas hat dafür genau "Zehn Tipps". Die Infos haben mir geholfen, denn ich will nicht immer einfach so vorbeigehen. Das ist mir auch von meinem Glauben her wichtig. Denn da spielt es eine Rolle wie ich mit Anderen umgehe. Und nicht nur mit Kollegen, Freundinnen, Familie. Sondern mit allen, die ich eben treffe.

Gerade zu der Frage, ob man bettelnden Menschen Geld geben soll oder nicht, heißt es von den Profis ganz klar: "Warum nicht? Auch auf die Gefahr hin, dass das Geld für Alkohol oder andere Drogen draufgeht. Menschen, die auf der Straße leben, haben nicht immer, aber oft Suchtprobleme. Und ein kalter Entzug auf der Straße kann lebensbedrohlich sein." Und an anderer Stelle lese ich: "Das wenige Geld, das ihm oder ihr zur Verfügung steht, ist ein kleiner, aber entscheidender Raum für die eigene Freiheit und Würde. Und diesen Raum sollten wir den Menschen lassen."

Und was ist, wenn ich dennoch kein Geld geben möchte? Da empfehlen die Profis, dass ich direkt nachfrage, was derjenige, der bettelt, gerade brauchen kann. Vielleicht ist es ein Einwegrasierer oder vielleicht sind es ein Paar neue Socken, vielleicht sogar Schuhe. Alles auf jeden Fall besser als der zehnte Kaffee oder das x-te Brötchen am Tag, das dann am Ende doch im Müll landet.

Mich beeindrucken die unzähligen Ehrenamtlichen in den vielen Vereinen oder Verbänden, die sich für Obdachlose und Arme einsetzen. Unterstützung ist dort immer willkommen: Egal in welcher Form. Eine helfende Hand, Sachspenden oder einfach Geld.

Über die Autorin Ruth Schneeberger

Ruth Schneeberger, geboren 1982 in Offenburg, ist Pastoralreferentin und seit 2020 stellvertretende Rundfunkbeauftragte der Erzdiözese Freiburg beim SWR. Neben ihrem Theologiestudium in Freiburg und Graz hat sie immer gerne (Kirchen-)Musik gemacht, mit Kinder- und Jugendchören oder an der Orgel. Im Rahmen der Ausbildung zur Pastoralreferentin begann sie ihr Engagement als Autorin von Verkündigungssendungen. Ruth Schneeberger schreibt seit 2013 für SWR2 und SWR3 und hat die journalistische Ausbildung am ifp in München absolviert. Heute lebt sie im badischen Friesenheim, zusammen mit ihrem Mann, den drei Töchtern und einem halben Dorf "Großfamilie" um sie herum.