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Christbaumkugel

Wort zum Tage, 20.12.2024

Maria-Anna Immerz, Dillingen

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Langsam rutscht die Christbaumkugel den kurzen Zweig hinunter. Ich kann sie nicht mehr halten, sie schlägt auf den Steinboden. Tausend kleine Splitter liegen vor meinen Füßen. Ausgerechnet diese Kugel – eine von den großen, ganz edlen, matt schokoladenbraun. Meine Mutter hat sie vor Jahren von ihrer besten Freundin geschenkt bekommen. Diese Kugeln wurden in der großen Kiste mit dem Christbaumschmuck all die Jahre besonders gehütet. Und jetzt liegt eine von ihnen zerbrochen da.

Mein erster Gedanke ist: Wo finde ich in den letzten Tagen bis Heilig Abend noch Ersatz? Eine weite Runde drehe ich dann tatsächlich über den Weihnachtsmarkt und durch viele Geschäfte. Keine Chance: Die Kugel war ein besonderes Stück! Ich gestehe das Malheur unserer Mutter. Sie reagiert gelassen, ja sie beruhigt mich: Es sind doch so viele andere da. Stimmt, wer es nicht weiß, dem geht die Kugel am Baum zur Weihnacht nicht ab.

Es wird Heilig Abend. Ich muss dauernd an diese Kugel denken. An mein Missgeschick. Und die Tausend feinen Scherben. Einen zerbrochenen Teller kann man manchmal noch kleben. Bei einer Kugel hat man keine Chance. Die bekommt keiner mehr heil.

Ich liebe diese farbigen, runden Christbaumkugeln. Sie sind mehr als tolle Deko. Sie sind Symbol mancher Sehnsucht: Wie oft habe ich mir in diesem Jahr gewünscht, dass es rund läuft – in der Familie, in der Arbeit, mit Freunden? Und da hängen sie ja demnächst an Weihnachten – die vielen heil gebliebenen Christbaumkugeln. Bunt wie mein Leben. Gott sei Dank läuft so vieles rund.

Und Gott sei Dank feiern wir an Weihnachten nicht das Fest der perfekten Weihnachtsbäume. Kern der Feier mit all ihren Bräuchen ist doch, dass Gott ein Mensch wurde, einer wie wir, kein Übermensch! So sollte wieder zusammengefügt werden, was doch zusammengehört: Himmel und Erde. Mit dem Gotteskind in der Krippe hat Gott die Klammer gesetzt. Darum wollen wir Christbäume im Wohnzimmer. Der Paradiesbaum soll bei uns sein, mit Kugeln, die an die Paradiesäpfel erinnern.

Schon bei Jesu Geburt im Stall war äußerlich nichts perfekt. Jesus hat an der Seite der Menschen auch Scherben gekannt und Tränen gesehen über Misslungenes. Heiland haben die Menschen diesen Jesus bald genannt. Er kennt Wege, Leben gerade auch da heil zu machen, wo es zerbrechlich ist. Da, wo ich selbst es nicht kitten kann.   

Über die Autorin Maria-Anna Immerz

Maria-Anna Immerz, geboren 1959, studierte Philosophie und Theologie in München und in Freiburg im Breisgau. Seit 1985 ist sie Pastoralreferentin im Bistum Augsburg und somit aktiv in verschiedenen Tätigkeitsbereichen auf gemeindlicher und diözesaner Ebene. Frau Immerz ist diözesane Beauftragte und geistliche Beraterin für den Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) Augsburg sowie für den Fachbereich Schwangerenberatung. Seit 2011 ist Frau Immerz Diözesanbeauftragte für den öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk und seit 01.09.2013 Theologische Referentin im Generalvikariat. Frau Immerz lebt in Augsburg.

Kontakt: maria-anna.immerz@bistum-augsburg.de