Normaler Weise bin ich keine große Online-Leserin. Ich mag es lieber gedruckt. Trotzdem bin ich an diesem langen Internet-Artikel hängen geblieben. Dort redet ein Mann, zu dessen Beruf es gehört, Leute zu vernehmen. Er ist mir von Anfang an unsympathisch. Aber er sagt viele interessante Dinge.
Es geht um Psychologie und Menschenkenntnis. Ein Kollege beschreibt ihn als diszipliniert und undurchdringlich und vergleicht ihn mit einem Hund, der Beute wittert. Er sei einer der besten, ein Meister des Verhörs. Er scheint am Ende seiner Sätze häufig zu lächeln, obwohl vieles Gesagte gar nicht zum Lächeln ist. Halb katzenartig, schreibt der Autor. Er kann mitfühlend und warmherzig sein, wenn es die bessere Taktik ist. Und er ist ausnehmend schmallippig. An einer Stelle, als ihm die Fragen offenbar zu persönlich werden, ermahnt er den Journalisten. "Wir erstellen hier kein Profil von mir!"
Erstaunlicher Weise scheint er nicht zu merken, dass genau das passiert. Am Ende des Artikels habe ich jedenfalls ein ziemlich klares Bild von dem Mann. Über einen Satz von ihm bin ich besonders gestolpert. Er sagt: "Die Emotionen dürfen niemals die Oberhand gewinnen. Wahrscheinlich lächelt er wieder, wie oft am Ende seiner Sätze."
Nicht weit weg von einer künstlichen Intelligenz, denke ich. Eine hochintelligente, emotionsbefreite Maschine. Wenn ein Mensch so arbeitet, dann könnte man ihn auch durch eine KI ersetzen. Vernehmungen – oder Verhöre – sollen der Aufklärung, der Wahrheitsfindung dienen. Könnte das auch eine KI? Geht das ohne Menschlichkeit?
Für mich nicht. Jesus Christus hat von sich selbst gesagt: "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben." Er ist die absolute Wahrheit. Und er ist Mensch geworden. Für Christen gehört die Wahrheit deshalb wesentlich zum Menschen dazu. Die Suche nach der Wahrheit ist immer auch eine Suche nach dem Menschen, nach der Person.
Deshalb ist die Mensch-lichkeit bei dieser Suche unverzichtbar. Wie kann ich denn von jemandem erwarten, die Wahrheit zu sagen, wenn ich selber eine Maske aufsetze? Wenn ich lächle, wo es gar nichts zu lächeln gibt? Wenn ich meine wahren Emotionen verberge und stattdessen "taktisches Mitgefühl" zeige?
Wie gesagt, dieser Mann ist mir unsympathisch. Zum Schluss sagt er, dass die Technologie Fortschritte gemacht habe. Es gebe Cyber-Tools. Massendatenverarbeitung. Dennoch werde der Mensch immer ein kritischer Teil der Aufgabe sein. Ach! Der Mensch ist also unverzichtbar. Ich ertappe mich dabei, dass ich lächle.