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Mirjam

Wort zum Tage, 21.06.2025

Ruth Schneeberger, Friesenheim

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Diese Geschichte handelt von einer bemerkenswerten Frau, ich kenne sie aus der Bibel. Aus dem ersten Teil, dem Alten Testament. Die Frau heißt Mirjam und sie hat ein richtig gutes Gespür dafür, was sie selbst und andere brauchen. Genauer gesagt: Mirjam weiß, was hilft, wenn etwas Großes überstanden ist.

Die Geschichte beginnt in einem verrückten, fast schon unheimlichen Moment. Mirjam steht da und weiß gar nicht, was sie denken soll. Eben wäre sie fast gestorben. Mirjam hat sich mit letzter Kraft durch ein Meer gekämpft und sie hat es tatsächlich geschafft, zusammen mit ihrer ganzen Großfamilie. Hinter Mirjam das Rote Meer, neben ihr ihre beiden Brüder. Der eine heißt Mose, der andere Aaron. Ihre Frauen und Kinder sind auch dabei. Sie sind viele. Sie gehören alle irgendwie zusammen und jetzt sind alle nass bis auf die Knochen. Die Kinder weinen vor Erschöpfung und den Erwachsenen steckt der Schrecken von eben noch in den Knochen. Was ihnen durch den Kopf geht, liegt greifbar in der Luft: "Haben wir das wirklich geschafft? Diese schwierigste, letzte Etappe, ist es wirklich vorbei?"

Mirjams Bruder Mose fängt in dem Moment an, eine ellenlange Erklärung abzugeben, darüber, warum sie es durch dieses Meer geschafft haben. Dass Gott nicht nur mitgeholfen hat, sondern dass er selbst sie da eben gerettet hat. Ihr Gott, den sie JHWH nennen. Mose redet und redet vor lauter Freude und Überwältigung ohne Punkt und Komma. Aber Mirjam merkt, was sie alle jetzt eigentlich brauchen. Dass komplizierte Erklärungen jetzt gar nicht helfen. Also traut sich Mirjam und tut etwas, womit wahrscheinlich niemand gerechnet hat. Sie fängt an zu singen, erst ganz leise und dann immer lauter. Mirjam spornt die anderen an und singt dieses Lied: "Singt dem Herrn ein Lied, denn er ist der Allerbeste. Er steht über allem! Er hat uns befreit!" Und dann tanzt Mirjam auch noch dazu. Sie singt und tanzt sich ihre ganze Anstrengung vom Leib, auch ihre Angst. Die anderen schauen erst irritiert, aber dann lassen sie sich von Mirjam anstecken. Erst machen die Kinder mit, dann die Erwachsenen, sogar ihre beiden Brüder Mose und Aaron stimmen mit ein.

Am Schluss singen und tanzen alle. Das ist Mirjams große Gabe, ihr "Gottesgeschenk": ein gutes Gespür. Denn Singen und Tanzen hilft, wenn etwas so Großes überstanden ist.

Über die Autorin Ruth Schneeberger

Ruth Schneeberger, geboren 1982 in Offenburg, ist Pastoralreferentin und seit 2020 stellvertretende Rundfunkbeauftragte der Erzdiözese Freiburg beim SWR. Neben ihrem Theologiestudium in Freiburg und Graz hat sie immer gerne (Kirchen-)Musik gemacht, mit Kinder- und Jugendchören oder an der Orgel. Im Rahmen der Ausbildung zur Pastoralreferentin begann sie ihr Engagement als Autorin von Verkündigungssendungen. Ruth Schneeberger schreibt seit 2013 für SWR2 und SWR3 und hat die journalistische Ausbildung am ifp in München absolviert. Heute lebt sie im badischen Friesenheim, zusammen mit ihrem Mann, den drei Töchtern und einem halben Dorf "Großfamilie" um sie herum.