Ich soll einen Nachruf auf mich selbst schreiben. Das ist eine der schwersten Aufgaben, die ich je bekommen habe. Einen Nachruf auf andere, auf Menschen, die ich gemocht und geschätzt habe, klar. Aber auf mich selbst? In meinem Job beerdige ich auch Menschen. Ich besuche darum eine Fortbildung für den Beerdigungsdienst und da wird mir eben diese Aufgabe gestellt, einen Nachruf auf mich selbst zu schreiben. Jetzt sitze ich da. Es fühlt sich nach falschem Format an. Nachrufe gelten den Toten, ich lebe ja. Ich taste mich langsam heran und überlege, was ich von Menschen erzähle, die ich beerdige.
Und dann ich fange an: Ich hatte immer gerne Menschen um mich herum, bin offen auf sie zugegangen und hatte großen Spaß an vielfältigen Lebensentwürfen. Ich habe gerne gefeiert und war unaussprechlich dankbar für meine Familie. Ich habe gerne gelacht und konnte ganz gut anpacken. Aber zur Wahrheit gehört auch: Ich hatte oft ein schlechtes Gewissen allen und jedem Gegenüber und stand manchmal unter selbstgemachtem Druck.
Ich habe viel mit Pferden zu tun gehabt und das Leben auf dem Land sehr geschätzt. Und ich war viel unterwegs und hatte keine Angst vor weiten Strecken. Was mich immer beschäftigt hat: wie Menschen miteinander umgehen. Wie ich mit den Leuten umgegangen bin und wie das in meiner Familie war. Das ist nicht immer gut gelaufen, es gab Streit, blöde Worte und zu einigen auch keinen Kontakt mehr. Ich hab‘s nicht geschafft, meine Kinder immer zu bestärken. Ich konnte schon sehr negativ in der Kommunikation sein und betonen, was schlecht gelaufen ist, und nicht, was gut war. Die Schattenseiten kommen auch zum Vorschein, wenn ich ehrlich überlege und meinen Nachruf formuliere.
Während ich schreibe, verstehe ich: es ermöglicht mir aber zu überprüfen, wie ich leben will und ob ich es auch wirklich so tue. Ich schaue immer mal wieder auf meinen Nachruf auf mich selbst und checke, ob das alles gerade überhaupt so passt. Vor allem, wie es kommunikationstechnisch bei mir läuft.
Manchmal erhört das den Druck, wenn es nicht passt. Dann muss ich Prioritäten neu setzen – und mir klar machen, dass trotzdem nicht alles klappen wird.
Das Nachruf Schreiben zeigt mir aber auch: das hier ist nicht alles. Ich gehe fest davon aus, dass nach dem Leben hier noch was kommt. Dass das Leben bei Gott weitergeht. Und das ist ganz erfüllt. Das soll kein billiger oder schneller Trost sein, sondern entlastet mich. Es wird hier nicht alles möglich und gut sein. Aber dann wird es vollkommen sein.
Bevor es aber soweit ist, will ich hier noch viel erleben, viel gut machen und feile weiter an meinem Nachruf auf mich selbst.